Die Yoga-Kriegerin
ist, wie du deiner Schwester beim Kotzen in der Nachbarkabine der Restauranttoilette zuhörst und feststellst: Hey, du machst das ja auch!
Ich realisierte, dass Bulimie der Versuch meines Körpers war, eine spirituelle Lücke zu schließen, und entschloss mich, andere Quellen zu finden, die mir den Weg zeigen konnten. Meine Beziehung zu Ganga, einem drahtigen, kompakten Mann mit einer wilden, lockigen braunen Mähne und einem gepflegten Oberlippenbart, wurde sexuell, nachdem er und seine Frau sich getrennt hatten. Zusammen begannen wir, unsere Spiritualität zu erforschen. Er überzeugte mich davon, dass es total angesagt wäre, wenn ich ein Armutsgelöbnis ablegen würde. Wir entwickelten ein System von Doppelyoga, in dem alle Positionen als Partnerübungen erfolgten, veröffentlichten das Buch Double Yoga und machten sogar eine kleine Lesereise. Ganga schlug vor, dass wir nach Indien reisen sollten – dem Ort der Er leuchtung schlechthin –, um unsere Yogapraxis weiterzuentwickeln. Vielleicht würde das Jagen nach Erleuchtung genauso nutzlos sein, wie mit Squirrel dem Ende des Regenbogens hinterherzujagen, aber ich machte mit.
Ich war völlig unvorbereitet auf die drückenden Menschenmassen, die allgegenwärtige Armut, den Gestank und die grassierenden Krankheiten, die ich in Indien vorfand. An den Vormittagen saßen wir Stunde um Stunde in Vorträgen über Homöopathie und Naturheilkunde, und am Nachmittag machte die öffentliche Klinik ihre Pforten auf für jeden in Indien, der ein Problem hatte. Und da krochen ein paar wirklich schlimme Fälle durch die Tür. Leprakranke, Menschen mit Krätze, ein Typ, der von Wildhunden attackiert worden war und aus dessen Wunden Eiter floss. Es war echt Hardcore, aber nichts davon schien unsere Lehrerin aus der Fassung zu bringen, ein sehr kleines, sehr rundes, sehr hellhäutiges, silberhaariges irisches Großmütterchen namens Naryiani. Sie war höchstens 1,40 m groß, dennoch setzte diese homöopathische Heilerin ihr ganzes Wesen dafür ein, Krankenhäuser zu errichten, Leute auszubilden und jeden zu behandeln, der sie brauchte – und alles, ohne dafür Geld zu nehmen. Ich war davon schwer beeindruckt. Wir waren umgeben von all diesen angeblich erleuchteten Menschen, die in orangefar benen Kutten herumliefen und versuchten, einer heiliger als der an dere zu sein, und diese kleine alte Dame versohlte ihnen den Hin tern, wenn sie nicht spurten.
Manchmal nahm mich Naryiani mit auf ihre persönlichen Rundgänge. Eines Tages gingen wir los, um nach einem im Sterben liegenden Swami zu sehen, der von all seinen Gefolgsmännern umgeben war. Er saß auf einer Art Thron und sah grau und furchtbar krank aus. Während er und meine Lehrerin sich auf Englisch unterhielten, lehnte er sich plötzlich näher an sie heran und sagte: »Naryiani, ich habe Angst zu sterben.« Seine Gefolgsmänner gerieten außer sich; er sollte ja ein erleuchteter Lehrmeister sein, mit dem unerschütter lichen Glauben, dass der Tod nur ein Übergang sei, und doch, hier war er nun und gestand dieser weißen Frau seine Angst. Und Naryiani machte nur ein glucksendes Geräusch, schlang ihre Arme um ihn und drückte seinen Kopf an ihre Brust wie eine Trost spendende Mutter. Jetzt flippten seine Gefolgsmänner völlig aus. Eine Frau , die ihren Lehrmeister berührte, ihn an ihrer Brust wiegte, und sie war auch noch eine Weiße ! Ich war so beeindruckt von ihrem Mut; sie sah, dass dieser Mann dringend Trost brauchte, also umging sie einfach die Regeln der spirituellen Ordnung und gab seiner unberühr baren Heiligkeit die Berührung, die er brauchte. Sie handelte aus purer Intuition und Liebe. Egal, was die Doktrin verfügte, sie wollte ihn während seines Sterbens nicht so allein lassen.
Als ich Naryiani dabei beobachtete, wie sie Menschen mit den allerschlimmsten Krankheiten mit ihrer unendlichen irischen Groß mütterlichkeit überschüttete, konnte ich den Rahmen meiner eigenen Möglichkeiten erkennen und feststellen, worauf ich meine eigenen heilenden Kräfte ausrichten wollte. Es lag mir nicht, mich um die Leprakranken dieser Welt zu kümmern; einen solchen Mut hatte ich nicht. Aber von dieser kleinen Person mit dem riesigen Her zen lernte ich eine wichtige Lektion: Du demonstrierst deine Werte nicht, indem du dich in safrangelbe Stoffe hüllst, sondern du tust es mit deinen Handlungen im alltäglichen Leben.
Ich verbrachte viel Zeit mit den Sadhus, den wilden Yogis von Indien, und liebte es, von
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