Die Yoga-Kriegerin
Ich spürte, dass die Sadhus und ich von einem Schlag waren, aber die Horden von Menschen, die Straßen, die vor kranken Leuten nur so wimmelten, machten mich wahnsinnig. In der einen Sekunde lächelte ich über einen Brahman-Bullen, der ganz frei die Straße hinunterspazierte, sein milchweißes Fell mit leuchtenden Farben bemalt; in der nächsten Sekunde hockte sich jemand direkt neben mich und kackte. Der Dreck, die Ignoranz und die Krankheiten waren allesamt zu viel für mich. Eines Tages aßen Ganga und ich im Taj Mahal Palace Hotel in Bombay – einem unglaublich protzigen Fünfsternehotel, sehr teuer nach indischen Standards. Wir aßen uns an einem üppigen, pompösen Buffet satt. Ich blickte aus dem Fenster und sah eine Frau in der Gosse sterben, während ich mir den Bauch vollstopfte – das wurde meine Metapher für Indien. Was soll man nur machen mit all dem Kummer und Leid dieser Welt?
Als ich von meinen langen Reisen nach L . A. zurückkehrte, be trach tete ich diesen Abschnitt meines Lebens als meine traditionelle Yogaphase. Ich hatte natürlich sehr viel darüber gelernt, Heilerin zu sein, und noch mein Studium des Iyengar-Yoga vertieft, bevor ich dann damit aufhörte. Die heiligen Heiler, die ich am meisten be wunderte, waren jene, die die Regeln über den Haufen warfen und ihre Arbeit aus einer tiefen Intuition heraus machten – wie Naryiani, die Sadhus, die magische wilde Frau. Der Versuch, mich an Spielregeln zu halten – Du musst diese Position genau so machen oder Ich werde dich schlagen oder Wenn du Erleuchtung erfahren möchtest, musst du xyz tun –, passte so ganz und gar nicht zu mir. Etwas in mir rebellierte oder sabotierte die Situation. Jedes Mal, wenn ich meiner Intuition Beachtung schenkte, schien ich in der Lage zu sein, von der Weisheit meiner Lebenserfahrung zu schöpfen.
Ich hatte während meiner Reisen durch Indien mein Ritual des Vollfressens und Auskotzens beibehalten, und jetzt, wo ich wieder zurück in den Staaten war, hörte ich auch nicht damit auf. Jahrelang war ich während meiner Träume bei lebendigem Leib verschlungen worden; ich hatte von zu viel Alkohol derart schlimme Blackouts überlebt, dass ich danach an merkwürdigen Orten neben völlig Fremden aufgewacht war und erst einmal eine Zeitung finden mus ste, um herauszufinden, welcher Tag gerade war und in welcher Stadt ich mich befand. Also was war so schlimm an ein bisschen Kotzen? Ich war stolz, kotzen zu können, ohne meinen Finger zu Hilfe nehmen zu müssen. Erst als Ganga mir einen sehr kurzen Artikel gab, in dem etwas über den Einsatz von Einläufen zum Abführen stand, lernte ich ein neues Wort kennen: Bulimie. Bis heute weiß ich nicht, ob es seine Art war, mir zu verstehen zu geben, dass er es spitzgekriegt hatte und mir helfen wollte, oder nicht, aber ich kam sehr schnell zu der Ansicht, dass das Wort nicht auf mich zutraf. Einläufe? Bäh! Wer macht denn so was? Also, das war vielleicht durchgeknallt!
Die Kombination aus meinen Reisen mit meinen Erkenntnissen über Autoritäten begann etwas in mir zu verändern. Nach meinen Jahren der Abstinenz experimentierten Ganga und ich mit Gras, Hasch, Pilzen und Acid während Pranayama , der Atemarbeit, um in neue Sphären zu gelangen. Wir versuchten, der Tradition zu folgen und sie als heilige Lehrerpflanzen zu nutzen, doch es fühlte sich absolut falsch an. Ich hatte Carlos Castaneda gelesen und über andere mystische Traditionen, aber es war für mich immer noch beängstigend, meine Nüchternheit aufzugeben. Wenn ich zum Zahnarzt ging, ließ ich mir beim Bohren nicht einmal eine Spritze geben, so eine Angst hatte ich, dass es mich wieder in die Welt der Drogen zurückwerfen würde. Ich wollte aber wissen, ob mich das der Erleuchtung näher bringen würde. Aber das war nicht mein Weg – es war für nichts von dem, was ich erreichen wollte, der richtige Weg. Ich stellte fest, dass ich lernen musste, auch ohne Drogen in diese Sphären zu gelangen.
Allmählich wurde mir klar, dass ich, so viel ich auch von unserer gemeinsamen Arbeit und unseren Reisen gelernt haben mochte, auch unter Gangas Einfluss zu ersticken drohte. Er kassierte das ganze Geld ein, das ich beim Unterrichten von Yoga verdient hatte. Ich erhielt nichts von den Einnahmen aus dem Buch, das wir zusammen geschrieben hatten; Ganga sagte mir, dass wir es für unsere Indienreise gebraucht hatten. Ich gab ihm sogar die Erstzahlung, die ich für eine kleine Nebenrolle im Film Das fliegende Auge
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