Die Zaehmung
nicht ganz. »Und sieh zu, ob du ein paar Schaufeln auftreiben kannst. Heute abend wollen wir wenigstens zwei Räume so weit säubern, daß man darin schlafen kann. Und morgen werden wir . . .« Sie hielt inne, weil sie nicht an den nächsten Tag denken mochte. Wenn sie hier nicht einmal einer Magd etwas anschaffen konnte, war sie nicht besser gestellt als eine Gefangene. Da hätte man sie ebensogut gleich ins Burgverlies werfen können.
»Schau dich um und halte die Ohren offen«, sagte Liana. »Suche zu erfahren, wo Lord Severn sein Quartier hat. Vielleicht könnte er uns . . . helfen.« Lianas Stimme klang nicht sehr zuversichtlich.
»Ja, Mylady«, antwortete Joice kleinlaut und verließ den Raum.
Langsam stieg Liana die Wendeltreppe zum Söller hinauf. Die Greifvögel erhoben sich unruhig von ihren Sitzstangen, als sie in den Söller kam, und falteten dann ihre Schwingen wieder zusammen. Hätte es nicht überall diesen Unrat gegeben, der auf peinliche Weise bezeugte, daß hier Menschen hausten, hätte man glauben können, die Burg sei unbewohnt. Sie war so gar nicht mit dem Heim ihres Vaters zu vergleichen, wo Menschen aus- und eingingen und viel gelacht und gescherzt wurde. Hier gab es nur Männer — hartgesichtige Männer mit Narben am Körper und Waffen in den Händen, die selbst das Lachen verlernt zu haben schienen. Da gab es keine Kinder und keine Frauen bis auf die beiden Dirnen, die sie ausgelacht hatten und ihr den Gehorsam verweigerten.
Sie blickte hinunter in den Burggraben und sah im verblassenden Licht des Tages den Kopf einer Kuh in der schwarzen zähen Brühe. Dieser Ort sollte nun ihr Heim sein. Hier sollte sie Kinder gebären und aufziehen, und ihr Anspruch auf Liebe und Zärtlichkeit sollte von einem Ehemann erfüllt werden, der sie von einer Stunde zur anderen vergessen zu haben schien.
Wie konnte sie ihn nur dazu bringen, daß er sie liebte? Wenn sie und ihre Mägde die Burg säuberten, wenn sie diese Feste zu einer menschenwürdigen Wohnstätte machten, würde er vielleicht froh sein, daß er sie geheiratet hatte. Dann würde er vielleicht mehr in ihr sehen als nur ein Anhängsel einer reichen Mitgift.
Und wenn sie für ein gutes Essen sorgte? dachte sie. Vielleicht sollte sie ein paar gute Köche anheuern und ihm schmackhafte Gerichte auf den Tisch bringen. Sicherlich würde ein Mann, der gut speiste, auf sauberen Laken schlief und saubere Kleider trug, sich über die Frau freuen, die ihm das möglich machte.
Und dann war da noch das Bett. Liana hatte von den Mägden gehört, daß eine Frau, die einen Mann im Bett erfreute, ihn auch außerhalb des Bettes beherrschen könne. Sie würde bis zum Abend eine Schlafkammer gesäubert haben, und dort würde er sie dann aufsuchen, denn jetzt, wo sie ein ungestörtes Intimleben führen konnten, würde er sicherlich seine Frau in seine Arme nehmen wollen. Sie lächelte zum erstenmal, seit sie die Moray-Burg aus der Ferne erblickt hatte. Sie mußte nur Geduld haben, und dann würden ihre Wünsche auch mit der Zeit in Erfüllung gehen.
Ein paar Minuten später kamen ihre sieben Dienerinnen, beladen mit Speisen, Kissen und Decken, in den Söller und redeten alle auf einmal.
Es dauerte eine Weile, bis Liana verstand, was ihre Frauen ihr mitteilen wollten. Lord Severn weilte bei einer Person, die Lady genannt wurde, und würde wahrschein-lich in den nächsten drei, vier Tagen nicht zu sprechen sein. Neben der Lady und ihren Dienerinnen gab es nur noch acht Frauen in der ganzen Burg.
»Sie arbeiten nicht«, sagte Bess, »und niemand wollte mir verraten, was sie hier überhaupt tun.«
»Sie heißen wie die Tage der Woche — Sonntag, Montag, Dienstag und so fort — bis auf eine, die man ‘Springerin’ nennt. Sie scheinen keine anderen Namen zu haben«, sagte Alice.
»Und das Essen ist grauenhaft. Das Mehl ist voller Maden und Sand. Der Bäcker bäckt die Maden einfach mit ein.«
Bess lehnte sich vor. »Sie pflegten das Mehl von einem Bäcker in der Stadt zu kaufen; aber er hat einen Antrag gestellt, daß man die Peregrines wegen Nichtbezahlung von Lieferungen ächten soll, und . . .«
»Und was?« forschte Liana, die ein Stück Fleisch zu essen versuchte, das so hart war wie Sattelleder.
»Die Ritter der Peregrines rissen die Türen des Backhauses ein . . . und benützten seine Mehlfässer als Toiletten.«
Liana legte ihr ungenießbares Stück Fleisch wieder weg.
Die Frauen hatten eine Sitzbank unter einem Fenster gesäubert und saßen
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