Die Zaehmung
betonten ihre Reize, und sie schwenkten beim Gehen auf eine übertriebene, herausfordernde Weise ihre Hüften. So stolzierten sie langsam über den Burghof, daß ihre großen Brüste unter dem Kleid hüpften, und fast alle Männer unterbrachen ihre Arbeit, um die beiden zu beobachten.
Als ein Ritter Liana vom Pferd herunterhalf, sah sie, wie die beiden Mägde sich auf Rogan zubewegten. Er brüllte ein paar Männern etwas zu, was sich auf die Wagen der Neville-Mitgift bezog; doch Liana sah, daß er dabei zu den beiden Mädchen hinschielte. Eine der beiden drehte sich um und warf Liana einen so triumphierenden Blick zu, daß es Liana in den Fingern juckte, ihr eine Ohrfeige zu geben.
»Sollen wir hineingehen, Mylady?« sagte Joice kleinlaut. Vielleicht sieht es im Innern etwas besser . . .« Ihre Stimme verlor sich.
Es war offensichtlich, daß ihr Gatte ihr nicht ihr neues Heim zeigen wollte, und inzwischen erwartete Liana das auch nicht mehr von ihm. In der Annahme, daß die Trep-pe, auf der diese beiden unverschämten Mägde gestanden hatten, in das Quartier des Burgherrn führte, hob sie ihre Röcke an und ging die Stufen hinauf, wobei sie mit dem Fuß hier und dort einen abgenagten Knochen beiseiteschleuderte und einmal etwas, das nach einem toten Vogel aussah.
Am Kopfende der Treppe gelangte sie in einen großen Raum, hinter dessen Eingang sich eine Trennwand befand, die einmal ein herrlich geschnitzter hölzerner Wandschirm gewesen sein mußte. Doch nun waren Äxte mit der Schneide und Nägel hineingeschlagen worden, an denen Morgensterne und Lanzen hingen. Durch die breiten Holztüren in diesem Wandschirm, von denen eine nur noch an einer Angel hing, gelangte man in einen Raum, der ungefähr fünfzehn Meter lang und acht Meter breit sein mochte, mit einer Decke, die so hoch war wie der Raum breit.
Liana und ihre Dienerinnen blickten sich stumm in diesem Raum um, denn keine Worte konnten beschreiben, was sie hier sahen.
Schmutz war ein viel zu gelinder Ausdruck dafür. Der Boden sah aus, als hätte man jeden Knochen von jeder Mahlzeit, die in mehr als hundert Jahren hier stattgefunden hatte, dort abgelegt und liegenlassen. Fliegen schwärmten über den von Maden wimmelnden Gebeinen, und Liana konnte Dinger — sie weigerte sich, darüber nachzudenken, was für »Dinger« — unter der dicken Schicht von Abfällen herumkriechen sehen.
Spinnweben mit fetten Insassen hingen von der Decke bis fast zum Boden hinunter. Die doppelte Feuerstelle am Ostende der Halle beherbergte einen Aschenhaufen von einem Meter Höhe. Das Mobiliar in diesem Raum bestand lediglich aus einem schweren Tisch mit einer dicken, geschwärzten Eichenplatte und acht mit Narben bedeckten, teilweise zerbrochenen Stühlen, die mit dem Fett der Mahlzeiten vieler Jahre bedeckt waren.
Es gab mehrere Fenster im Raum, einige davon fünf Meter über dem Boden; aber es befand sich kein Glas mehr darin, und die Läden, wenn es welche gegeben hatte, waren ebenfalls verschwunden, so daß der Gestank des Burggrabens und des Burghofes sich mit jenem in diesem Raum vermischte.
Als eine der Mägde hinter Lianas Rücken in Ohnmacht zu fallen drohte, wunderte das Liana nicht. »Steh auf!« befahl sie, »oder wir müssen dich auf den Boden legen!« Sofort stand das Mädchen wieder kerzengerade.
Liana nahm ihr Herz und ihren seidenen Rock in beide Hände und ging durch den Raum zu der Treppe in dessen Nordwestecke. Auch diese war mit Knochen und zu Pulver zertretenem Stroh bedeckt, in dem sie auch etwas entdeckte, was vermutlich eine tote Ratte war. »Joice, komm mit mir!« rief Liana über die Schulter; »und ihr anderen bleibt hier.«
Acht Stufen über der Halle befand sich linker Hand ein Zimmer und rechter Hand eine Toilette. Liana warf nur einen Blick ins Zimmer, betrat es aber nicht. Es enthielt einen kleinen runden Tisch, zwei Stühle und nach Hunderten zählende Waffen.
Liana setzte ihren Weg nach oben auf der Wendeltreppe fort, gefolgt von einer furchtsamen Joice, bis sie den zweiten Stock des Turmes erreichte. Vor ihr lag ein kurzer, niedriger Raum mit gewölbter Decke, und ein paar Schritte weiter sah sie rechts eine Tür. Sie öffnete sich in eine Schlafkammer mit einer schmutzigen Strohmatratze auf dem Boden. Das Stroh war so alt, daß der Sack nur noch ein flaches Stück Gewebe auf dem Boden war. Von diesem Raum ging eine Latrine ab.
Joice trat an den Sack heran und streckte die Hand aus, als wollte sie die Decken anfassen, die am Fuß der
Weitere Kostenlose Bücher