Die Zaehmung
als wüßten sie etwas, das sie, Liana, nicht wußte. Liana hatte bisher noch nie erlebt, daß eine Magd ihr den Gehorsam verweigerte. Bisher hatte ihr immer die Autorität ihres Vaters Rückhalt gegeben, der jede ihrer Anweisungen unterstützte.
Rogan befand sich am entfernten Ende des Burghofes, wo er die Entladung eines Fuhrwerks überwachte, das mehrere Rüstungen enthielt, die ebenfalls zu Lianas Mitgift gehörten. Wütend überquerte sie den Burghof, wich drei miteinander kämpfenden Hunden aus und stieg über einen kleinen Berg verrottender Schafsgedärme hinweg.
Sie wußte genau, was sie ihm jetzt sagen wollte — welche Forderung sie an ihn stellen mußte —; aber als Rogan sich ihr zudrehte, verärgert darüber, daß sie ihn bei seiner Arbeit störte, verließ sie wieder der Mut. Sie wollte ihm so gern gefällig sein, wollte, daß sein Blick weich wurde, wenn er sie ansah. Nun schien er wieder Mühe zu haben, sich daran zu erinnern, wer sie war.
»Die Mägde wollen mir nicht gehorchen«, sagte sie leise.
Er sah sie nur verdrossen an, als habe ihr Problem nicht das geringste mit ihm zu tun.
»Ich möchte, daß die Mägde mit dem Saubermachen in der Burg beginnen; aber sie wollen mir nicht gehorchen«, erklärte sie sich deutlicher.
Das schien ihn von einer leichten Verwirrung zu befreien. Er drehte sich wieder zu den Fuhrwerken um. »Sie säubern, was sauber gemacht werden muß. Ich dachte, du hättest deine eigenen Mägde mitgebracht.«
Sie schob sich zwischen ihn und den Wagen. »Drei meiner Dienerinnen sind Ladies, und die anderen . . . nun, es gibt hier einfach zu viel Arbeit für sie.«
»Wenn du eine von den Rüstungen verbeulst, verbeule ich dir den Schädel!« rief Rogan einem Knecht zu, der gerade das Fuhrwerk entlud. Er blickte auf Liana hinunter. »Ich habe keine Zeit für Mägde. Die Burg ist sauber genug. Nun geh, und laß mich meine Fuhrwerke entladen.«
Er ließ sie stehen, als würde sie nicht mehr für ihn existieren, und Liana starrte seinen Rücken an und spürte, wie die Augen aller Männer im Burghof auf sie gerichtet waren. Vor allem die Augen der beiden Mägde am Brunnen spürte sie. Das war es also, wovor Helen sie gewarnt hatte. So sah also eine Ehe aus. Ein Mann hofiert dich, bis er dich hat, und dann bedeutest du ihm weniger als . . . als ein Stück Eisen. Wobei sie natürlich von Rogan nicht einmal hofiert worden war.
Nun wußte sie, daß sie um jeden Preis ihre Würde verteidigen mußte. Sie blickte weder links noch rechts; sondern ging direkt auf die Burgtreppe zu und dann in das Gebäude hinein. Hinter ihr begann wieder das lärmende Treiben auf dem Burghof, und sie glaubte sogar das schrille Lachen einer Frau zu vernehmen.
Lianas Herz schien zu rasen ob der Demütigung, die sie vor allen Leuten hatte hinnehmen müssen. Helen hatte zu ihr gesagt, sie sei durch die Macht verdorben worden, die sie als Verwalterin des Neville-Besitzes ausübte; aber Liana hatte nie begriffen, was sie damit eigentlich meinte. Sie vermutete, daß nur wenige erkannten, wie sehr sich ihr Leben von jenem der meisten Menschen unterschied. Sie hatte erwartet, daß ihr Leben als Ehefrau sich ein bißchen anders gestalten würde; aber dieses Gefühl der Ohnmacht, als würde sie gar nicht existieren, war für sie eine gänzlich neue Erfahrung.
So mußte sich Helen gefühlt haben, als sie erkennen mußte, daß die Dienerschaft Liana gehorchte und nicht ihr. »Sie hat unter dieser Ohnmacht gelitten und ist dennoch gut zu mir gewesen«, flüsterte Liana.
»Mylady«, sagte Joice leise.
Liana bewegte ein paarmal die Lider und sah dann die Angst auf dem Gesicht der älteren Frau. Liana hatte offenbar einen großen Teil ihres Selbstbewußtseins verloren, die sie vor ihrer Hochzeit gezeigt hatte. Im Augenblick war sie zu müde, um darüber nachzudenken, wie sie sich in Zukunft verhalten sollte. Zunächst mußte sie dafür sorgen, daß ihre Mägde mit Essen versorgt wurden und einen Platz zum Schlafen hatten.
»Schick Bess los. Sie soll erkunden, wo es hier eine Küche gibt, und schicke mir dann etwas zu essen hinauf — ich möchte heute abend nicht in Gesellschaft speisen. Und dann schicke mir mein Bettzeug hinauf in den Söller.« Sie hob die Hand, als Joice etwas sagen wollte. »Ich weiß nicht, wie ich das hier alles bewältigen soll. Offenbar habe ich im Haus meines Mannes nichts zu sagen.« Sie versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie sich selbst bedauerte; aber das gelang ihr
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