Die Zaehmung
nun dort beisammen. Von unten drang das Klirren von Stahl auf Stahl herauf, das Gejohle von Männern, das schmatzende Geräusch von Speisenden. Offenbar »tafelte« ihr Gatte mit seinen Rittern im Saal unter dem Söller; doch keiner hatte daran gedacht, die Frau des Burgherren zu ihrer Mahlzeit einzuladen.
»Hat eine von euch vielleicht erfahren, welches Zimmer Lord Rogan als Schlafgemach benützt?« fragte sie in dem Bemühen, ihre Würde zu bewahren.
Die Frauen sahen sich gegenseitig voller Mitgefühl an.
»Nein«, murmelte Joice. »Aber sicherlich ist das eine dort — das große Zimmer oben — sein Schlafgemach.«
Liana nickte. Sie hatte sich noch nicht stark genug gefühlt, die hölzerne Treppe des Söllers zu erklimmen und die Räume darüber zu besichtigen — vielmehr den üblen Zustand, in dem sie sich vermutlich befanden. Wenn schon Greifvögel im Söller gehalten wurden, hatte man dann die oberen Schlafgemächer etwa in Schweineställe verwandelt?
Zwei Stunden harter Arbeit waren nötig, um zwei Bettkammern mit Schaufeln von schlimmstem Schmutz zu befreien. Liana wollte mithelfen; aber Joice weigerte sich, ihr das zu erlauben, und Liana verstand das. Im Augenblick waren ihre Mägde ihr fast gleichgestellt, da sie sich alle in dieser seltsamen, übelriechenden Behausung verloren und verlassen vorkamen; aber Joice wollte nicht, daß sie ihre Befehlsgewalt über diese Frauen verlor. Also setzte sich Liana auf die Fensterbank im Söller und hielt sich eine mit Nelken gespickte Orange an die Nase, damit ihr nicht übel wurde von dem Gestank des Burggrabens.
Als ihr Zimmer endlich bezugsfertig war — nicht sauber, aber doch so weit gereinigt, daß sie darin herumgehen konnte, ohne über Knochen oder Abfälle zu stolpern —, überredete eine ihrer Mägde einen Hufschmied, zwei Matratzen heraufzubringen, und Liana entkleidete sich mit Joicens Hilfe und legte sich zur Ruhe. Sie lag eine Weile wach, auf ihren Gatten wartend. Aber er kam nicht zu ihr.
Am Morgen wachte sie von dem Lärm im Burghof auf, und üble Gerüche attackierten ihre Nase. Was sie für einen Alptraum gehalten hatte, war die Wirklichkeit.
Am Morgen betrat Rogan die Kammer des Burgherrn und sah dort Severn am Tisch sitzen, den Kopf müde in eine Hand gestützt, während er mit der anderen Brot und Käse zum Mund führte. »Ich hatte eigentlich damit gerechnet, daß du dich ein paar Tage lang nicht sehen läßt. Willst du mit mir auf die Jagd gehen?«
»Ja«, antwortete Severn. »Ich brauche nach der letzten Nacht mit Jo ein wenig Ruhe. Du siehst mir allerdings erholt aus. Deine Frau hat dich wohl nicht sehr beschäftigt in der vergangenen Nacht, wie?«
»Letzte Nacht war Samstag«, erwiderte Rogan.
»Und du hast sie nicht mit deiner Frau verbracht?«
»Nicht am Samstag.«
Severn kratzte sich am Arm. »So wirst du niemals Söhne bekommen.«
»Bist du soweit, daß wir aufbrechen können? Ich werde schon noch zu ihr gehen. Vielleicht am nächsten . . . Ich weiß nicht, wann. Sie ist keine, die das Blut eines Mannes in Wallung bringen könnte.«
»Wo ist sie jetzt?«
Rogan zuckte mit den Achseln. »Vielleicht oben. Wer weiß das schon?«
Severn spülte den Rest des Brotes mit saurem Wein hinunter und spuckte Sand auf den Boden. Was sein Bruder mit seiner Frau machte, war dessen Sache.
Drei Tage lang arbeitete Liana mit ihren Mägden im Söller, um ihn zu säubern. Und drei Tage lang hatte sie Angst, nach unten zu gehen. Sie konnte es nicht ertragen, den Bewohnern von Moray-Castle ihr Gesicht zu zeigen. Sie wußten ja alle, daß er sich nicht nur weigerte, mit ihr zu schlafen, sondern ihr auch die Befehlsgewalt über seine Dienerschaft nicht zugestehen wollte.
Also blieb Liana für sich, sah weder ihren Gatten, noch kam sie in Berührung mit den anderen Bewohnern der Burg. Bisher, überlegte sie, hatte sie mit ihrer Unterwürfigkeit nicht nur nicht die Liebe ihres Mannes gewonnen, sondern er beachtete sie überhaupt nicht, ob unterwürfig oder nicht.
Es war am Nachmittag des vierten Tages, daß sie es wagte, die hölzerne Treppe im Söller hinaufzusteigen. Das Stockwerk darüber war so schmutzig wie der Söller noch vor Tagen, nur daß die Räume hier oben seit Jahren offenbar nicht mehr benützt worden waren. Sie fragte sich, wo denn die Bewohner der Burg nachts schliefen, und sogleich sah sie diese vor ihrem inneren Auge alle auf einem Haufen beisammenliegen.
Sie ging den Flur hinunter, blickte in eine Kammer nach der anderen,
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