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Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
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musst es uns zurückzahlen. Müssen wir ein Jahr warten, bis du uns das Geld zurückbringst, wollen wir nicht nur das bekommen, was du uns heute schuldig bist, sondern überdies zehn Prozent dazu. Zehn Prozent, wörtlich ,zehn von hundert‘, bedeuten zehn Hundertstel der Schuld. Das ist ein Zehntel der Schuld, die du noch zusätzlich zahlen musst.“
    „Ich will aber nicht mehr zurückzahlen, als ich mir von Euch borge“, entrüstet sich Simplicio.
    „Es tut mir leid, dann kann ich dir das Geld nicht geben“, gibt sich der Bankbeamte zerknirscht und greift nach Simplicios Sack. „Aber du kannst in ganz Siena fragen:
    Kein Verleiher borgt dir Geld einfach nur so. Sie alle wollen Zinsen. Die meisten von ihnen sogar fünfzehn, manche Wucherer gar zwanzig Prozent. Denk doch nach: Wenn du den Grund erworben und beackert hast, bist du in einem Jahr sicher reicher als heute, samt Sack. Du wirst die Schuld zusammen mit den Zinsen gewiss leichten Herzens zahlen können.“
    Simplicio willigt ein. Er nimmt das Geld, unterschreibt den Schuldschein, auf dem die zehn Prozent Zinsen vermerkt sind, mit drei Kreuzen, kauft den Grund und hofft auf baldigen Reichtum.
    Doch der stellt sich so schnell nicht ein. Sieben magere Jahre suchen Siena und seine Umgebung heim. Fast alle, bis auf die besonders Reichen, haben um das Nötigste fürs Überleben zu kämpfen. An Sparen ist nicht zu denken. Und auch die darauffolgenden sieben Jahre sind nicht sonderlich fett. Mit Müh und Not vermag Simplicio Monat für Monat ein paar Florin zur Seite zu legen, denn der Kredit, den er einst in der „Monte di Pietà“ aufgenommen hatte, muss einmal zurückgezahlt werden.
    Nach 14 Jahren ist es schließlich so weit. Simplicio hat hundert Florin und für jedes der vierzehn Jahre jeweils zehn Florin zusammengelegt, zusammen 240 Florin, mit denen er endlich seine Schuld begleichen möchte.
    In der Bank wird er zu einem jungen, arroganten Angestellten geführt, auf dessen Schreibtisch er die 240 Florin legt. Der Schnösel hat den Schuldschein und einen Zettel mit ein paar Rechnungen vor sich liegen, zählt mit widerwilliger Miene das Geld und sagt danach mit eiseskalter Stimme: „Das ist bei Weitem nicht genug.“ „Wieso nicht“, empört sich Simplicio, „ich habe hundert Florin und für jedes der 14 Jahre noch zusätzlich zehn Florin für die Zinsen mitgebracht.“
    „Ihre Schuld beträgt jetzt 380 Florin. Ich nehme einmal die 240 Florin, aber Sie sind uns noch immer 140 Florin schuldig. Im Übrigen: Für diese 140 Florin werden wir in Zukunft einen Jahreszinssatz von zwölf Prozent …“ Simplicio hört den Schluss dieses Satzes nicht mehr. Wutentbrannt stürmt er aus dem Zimmer, läuft durch die Gassen Sienas und findet sich in einer Spelunke wieder, in der sich die Rebellen der Noveschi treffen: Banden, die Siena in Angst und Schrecken versetzen. Bei einem der zahlreichen Aufstände, bei denen Simplicio in erster Reihe mit gezücktem Säbel voranschreitet, verliert sich seine Spur.
    Das Schicksal des armen Simplicio war bereits in dem Augenblick besiegelt, als er glaubte, man müsse beim Rechnen mit Prozenten addieren. Dies ist der schwerste Fehler der Prozentrechnung, und er wurde nicht nur von unserem erfundenen Helden Simplicio begangen, er ist bis heute weit verbreitet. In Wahrheit darf man beim Rechnen mit Prozenten nicht addieren, man muss multiplizieren .
    Simplicio hatte zehn Prozent von hundert Florin berechnet und diese zehn Florin als Zins betrachtet, den er Jahr für Jahr auf seine Schuld aufschlagen muss. Die Cossisten der „Monte di Pietá“ aber rechneten so: Ein Zinssatz von zehn Prozent bedeutet, dass sich in einem Jahr das geliehene Kapital um den Faktor 1 + 10 % = 1 +  10 / 100 vergrößert, also mit der Dezimalzahl 1 + 0,1 = 1,1 multipliziert wird. Im ersten Jahr macht das im Vergleich zur Rechnung des Simplicio keinen Unterschied. Nach dem ersten Jahr muss Simplicio
    100 × (1 + 
10
/
100
) = 100 × 1,1 = 110 = 100 + 10
    Florin zurückzahlen. Nach dem zweiten Jahr glaubt Simplicio, dass er 100 + 20, also 120 Florin zurückzahlen muss. Die Bank hingegen vermehrt seine Schuld von 110 Florin wieder um 10 %, indem sie 110 mit 1,1 multipliziert , und notiert bereits eine Schuld von 121 Florin in ihre Bücher. Der Unterschied zwischen 120 und 121 nimmt sich noch harmlos aus. Aber schon nach sieben Jahren merkt man, dass er sich zu Simplicios Ungunsten vermehrt: Nach dem siebenten Jahr glaubt

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