Die Zahl
anscheinend heute wieder ganz in deinem Element, Nina«, konnte sich Lorentz die Spitze nicht verkneifen und schob angewidert ein Foto von einem Unfallschauplatz zur Seite.
»Und du bist so charmant wie eh und je.« Die Gerichtsmedizinerin legte das Bild zurück auf seinen Platz.
»Sorry. Aber ich bin heute nicht wirklich gut drauf – wegen des
verdammten Schnees. Es sieht ganz so aus, als würde ich noch länger hier feststecken. Verfluchte weiße Pest.«
»Erstens bist du nicht der Einzige, der wegen des Schnees zu einem Zwangsaufenthalt in Landau genötigt wird, und zweitens ist ›weiße Pest‹ eine Bezeichnung für Tuberkulose.«
»Dann halt kalte Pest«, sagte Lorentz und schaute aus dem Fenster. Draußen schneite es immer noch. »Wenn das so weitergeht, dann können wir bald nicht mal mehr das Haus verlassen.«
»Cholera morbus«, sagte Capelli und lehnte sich zurück.
»Hä?« Lorentz drehte sich zu ihr um.
»Cholera morbus«, wiederholte die Gerichtsmedizinerin. »Auch bekannt unter dem Namen ›kalte Pest‹.«
»Oh, ich glaube, ich bleibe doch besser bei dem Begriff ›Schnee‹. Ist noch ein bisschen von Morells gutem Schnaps da?«
»Hinter dir auf dem Regal. Bringst du mir auch ein Glas mit?«
Lorentz schenkte zwei Gläser ein und reichte Capelli eines davon. »Prost!«, sagte er. »Auf eine baldige Schneeschmelze.«
»Könnt ihr bitte den Tisch freiräumen? Das Essen ist gleich fertig«, rief Morell aus der Küche.
»Wir können die Unterlagen so lange in mein Zimmer legen«, schlug Capelli vor. »Dort drin steht ein großer Schreibtisch.«
Lorentz nickte und half ihr, die Aktenstapel ins Gästezimmer zu tragen, ohne dabei etwas durcheinanderzubringen. Er bemühte sich, nur ja kein Unfallfoto mehr zu Gesicht zu bekommen. »Was ist denn das?«, fragte er plötzlich und zog unter dem Bett eine verwaschene Pyjamahose hervor, die mit kleinen Bärchen bedruckt war.
»Gib das sofort her«, rief Capelli und wurde dabei knallrot im Gesicht.
Lorentz warf ihr grinsend die Hose zu. Capelli fing sie wutschnaubend auf und verstaute sie so schnell es ging in der nächstbesten Schublade.
»Aber die kleinen Bärchen waren doch ganz süß«, sagte Lorentz und schaute so unschuldig wie nur möglich.
Capelli antwortete nicht und presste stattdessen wütend die Lippen aufeinander.
»Ach, komm schon«, sagte Lorentz. »Es war doch nicht böse gemeint.«
»Essen ist fertig!«, kam es von Morell aus der Küche.
»Na, dann mal los«, sagte Capelli schnell. Innerlich schüttelte sie den Kopf. Lorentz war wirklich ein Idiot. Er konnte so nett sein – um dann gleich durch irgendeine Gemeinheit alles wieder kaputt zu machen. Warum interessierte sie sich bloß immer nur für Kerle wie ihn? War sie etwa masochistisch veranlagt? Je schlechter die Männer für sie waren, desto mehr fühlte sie sich zu ihnen hingezogen. Es war ein Drama. Sie sollte sich zusammenreißen und ihre Gedanken mehr Markus Levi zuwenden. Levi war ein guter Fang. Ein junger Arzt, gebildet, höflich und mit tadellosem Benehmen. Im Gegensatz zu Lorentz hätte er niemals unter ihr Bett gegriffen und sich über ihre Sachen lustig gemacht. Sie würde ihm eine Chance geben.
Morell hatte Unmengen an Essen aufgetischt. Salate, Saucen, Brot, Aufstriche, einen marokkanischen Gemüseeintopf und überbackenen Tofu.
»Ich musste dringend nachdenken«, sagte er und deutete auf das opulente Mahl. »Das kann ich beim Kochen einfach am besten.«
»Und was ist beim Nachdenken herausgekommen?«, fragte Lorentz neugierig und begann ringsum Eintopf aufzutun.
»Dass ich heute richtig entschieden und eine Hausdurchsuchung bei Karl Kaiser und seinem Cousin Bert beantragt habe. Beide haben ein Motiv und kein wirklich gutes Alibi – na ja, für eine Untersuchungshaft reicht’s nicht, aber ich muss ja endlich mal irgendetwas unternehmen. Kruzifix, am liebsten würde ich jedes verdammte Haus in Landau durchsuchen lassen!« Morells Stimme zitterte leicht.
»Und was erhoffst du dir von der Hausdurchsuchung?«, wollte
Lorentz wissen. »Kaiser wird doch wohl nicht so dumm sein, irgendwelche Spuren oder Beweise in seinem Haus zu haben.«
»Kaiser wohl nicht«, sagte Morell und schob sich ein großes Stück Tofu in den Mund. »Aber sein Cousin vielleicht. Deshalb werde ich nicht nur Kaisers Zuhause, sondern auch das ›Hype‹ durchsuchen, wo Bert anscheinend seit einiger Zeit lebt.«
»Na, hoffentlich findet ihr auch wirklich was.«
»Darauf wette ich. Kaiser
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