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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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das Kaffeeverbot ist für heute mal aufgehoben.«
    »Na, dann mach ich mich gleich mal auf den Weg. Servus, Chef.«
    »Servus, Robert.« Morell legte auf und schaute, wohin Genz gegangen war. Er fand ihn im Wohnzimmer. Dort lag er auf der Couch und schlief mit weit aufgerissenem Mund. Aus der Dose, die er immer noch in der Hand hielt, tropfte das Bier langsam auf den Teppich.
    Der Chefinspektor schüttelte resigniert den Kopf. Er nahm ihm vorsichtig die Bierdose aus der Hand und stellte sie auf den Tisch. Leise ging er zur Haustür.

»Der, welcher bedeckt von der großen Haube,
wird zu einigen tödlichen Taten verleitet;
Die zwölf Roten kommen, das Tuch zu besudeln,
mit Mordtaten wird sich das Morden immerwährend fortsetzen.«
    Nostradamus
    Maria Zieher verließ ihr Haus kurz nach fünf Uhr und freute sich darauf, im Hallenbad des Hotels ›Alpenrose‹ ein paar Bahnen zu schwimmen.
    Früher war sie Leistungssportlerin gewesen. Ihr Körper war hartes Training gewohnt. Umso schlimmer hatte er auf den ungewohnten Bewegungsentzug reagiert, als sie sich nach der Geburt ihres ersten Kindes auf die Rolle der Hausfrau und Mutter konzentriert hatte. Sie hatte innerhalb weniger Monate mehrere Kleidergrößen zugelegt und litt darunter schon seit Jahren.
    Es folgten noch zwei Kinder und unzählige Diäten, die jedes Mal mit einer großen Enttäuschung endeten. Aber dieses Mal würde sie erfolgreich sein.
    Die Kinder waren mittlerweile alt genug, um für sich selbst zu sorgen. Das gab ihr die erforderliche Zeit und den Freiraum, den sie brauchte. Das Schwimmen war da nur der Anfang. Sie hatte beschlossen, sich endlich ein paar langgehegte Träume zu erfüllen. Da sie nicht wusste, wie ihre Familie darauf reagieren würde, hatte sie es noch keinem erzählt, aber sie würde es durchziehen. Sie hatte sich lange genug für sie aufgeopfert.
    Die Haut an ihren Oberarmen hing schlaff und pickelig herab wie Hühnerflügel, und ihre Schenkel waren so voller Cellulitis, dass sie einer Mondlandschaft glichen. Maria fühlte sich deshalb im Badeanzug immer noch alles andere als wohl und hatte ihre Schwimmeinheiten daher auf den frühen Abend gelegt. Um diese Zeit waren die meisten Hotelgäste beim Après-Ski, und das Hotelpersonal musste sich um das Abendessen kümmern. So konnte sie ungestört und ohne höhnische Blicke ihre Bahnen drehen.
    Das Hotel ›Alpenrose‹ lag ein wenig außerhalb und war relativ abgeschieden, dafür hatte man einen Skilift direkt vor der Tür und einen phantastischen Ausblick über das Tal.
    Maria parkte den Wagen in der Tiefgarage des Hotels und griff nach der Sporttasche, die auf dem Beifahrersitz stand.
    »Hallo, Maria!«, hörte sie eine bekannte Stimme, als sie ausstieg. Sie drehte sich um und lächelte.
    »Hallo, das ist aber eine Überraschung, was machst du denn hier?«, fragte sie erstaunt.
    »Das wirst du gleich sehen.«
    Sie spürte einen kleinen Stich in ihrem Oberschenkel. »Au! Was sollte das denn?« Sie rieb sich über die Stelle, an der die kleine Nadel sie gestochen hatte. »Was war das?«, fragte sie. Sie fühlte sich benommen, wusste nicht, was vor sich ging.
    »Du wirst ja ganz blass«, sagte die Stimme. »Du solltest dich ein wenig hinlegen.«
    Maria spürte, wie sie auf die Rückbank ihres eigenen Autos gestoßen wurde.
    »Aber, aber ...«, mehr brachte sie nicht mehr heraus. Alles um sie herum verschwamm. Das Letzte, was sie wahrnahm, bevor sie in einen dunklen, traumlosen Schlaf versank, war, dass jemand das Auto startete und wieder aus der Tiefgarage hinausfuhr.

»Und jene sind versammelt zwölf an Zahl.
Nachts schrein im Schlaf sie unter Ölbaumzweigen;
Sankt Thomas taucht die Hand ins Wundenmal.«
    Georg Trakl, Menschheit
    Am Abend trafen sich Morell, Capelli und Lorentz wieder zu einer informellen Lagebesprechung. Als Lorentz ankam, bemerkte er, dass ein wunderbarer Geruch das ganze Haus durchströmte.
    »Otto ist heute wieder einmal in Hochform«, sagte Capelli. »Seit Ewigkeiten steht er schon in der Küche, schneidet Gemüse, raspelt Käse und rührt an irgendwelchen Saucen herum.«
    »Das ist anscheinend seine Art, mit dem Druck der Ermittlungen umzugehen«, stellte Lorentz fest und hob Fred hoch, der neugierig an seinem Hosenbein geschnuppert hatte. »Uff, bist du schwer«, sagte er und kraulte den Kater hinter den Ohren. »Dieses Viech wiegt ja mindestens eine Tonne.«
    Sie gingen ins Wohnzimmer, wo überall Totenscheine, Akten und Unfallberichte herumlagen.
    »Du warst

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