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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Schaltknüppel bohrte sich in seine rechte Seite, und wenn er versuchte, ein wenig nach links auszuweichen, dann piekste ihn der Türgriff. War es denn nicht genug, dass seine Hosen ihm zu eng waren, musste er jetzt auch schon zu massig für diverse Automarken werden? Er griff frustriert nach seiner Tupperdose auf dem Rücksitz und biss in ein Brot mit Camembert und Nüssen.
    Die Zeit kroch dahin wie eine gelähmte Weinbergschnecke auf einem Kiesweg. Morell starrte alle paar Minuten auf seine Uhr und hatte schon den Verdacht, dass sie nicht ganz richtig funktionierte, was aber leider nicht der Fall war.
    Bereits nach einer halben Stunde hatte der Chefinspektor die Schnauze voll. Sein Nacken tat weh, seine Schultern waren verspannt, und seine Beine schliefen in regelmäßigen Abständen ein.
    Fast genauso schlimm, wenn nicht gar schlimmer als der Ganzkörperschmerz, war die Langeweile. Hie und da verließ ein Gast das ›Hype‹, oder ein anderer kam. Morell versuchte, sich so klein und unscheinbar wie möglich zu machen, und verkroch sich tief in seiner Decke.
    Er merkte, wie die Müdigkeit ihn langsam überkam. Seine Augenlider wurden immer schwerer und begannen von Zeit zu Zeit zuzufallen. Er gähnte und trank einen Schluck Tee. »Nicht einschlafen«, sagte er leise zu sich selbst. »Nur noch ein paar Stunden.« Er starrte auf die Schneeflocken, die langsam auf seine Windschutzscheibe rieselten, und summte leise eine Melodie. »Nur noch ein paar Stunden«, murmelte er. »Nur noch ein paar ...«

»Sie ging hinein und sah darin
zwölf schöne, junge Männer sitzen.«
    Die zwölf Monate, Russisches Märchen
    Es dämmerte bereits, als fünf angetrunkene Jugendliche auf wackeligen Beinen das ›Hype‹ verließen.
    »Brrr«, lallte der größte von ihnen und zog sich seine Mütze tief ins Gesicht. »Was für ein Scheißwetter.«
    »Hör auf zu jammern«, schimpfte ein etwas dickerer Junge mit Akne im Gesicht und suchte in den Taschen seines Anoraks nach dem Schlüssel für sein Mofa. »Es nutzt ja doch nix. Lass uns lieber heimfahren.« Er setzte sich schwankend Richtung Parkplatz in Bewegung.
    »Scheiße«, fluchte der Große und hielt seinen pickligen Freund an der Kapuze fest.
    »Was denn?«, knurrte der.
    »Da!« Der Große deutete auf die andere Straßenseite, wo mittlerweile nur noch Benders kleiner Fiat stand. »Schau nur, da drinnen sitzt der fette Bulle, der schon ein paar Mal Ärger gemacht hat, von wegen Alkohol und so.«
    »Verdammt, du hast recht«, stimmte ein anderer zu. »Das ist Morell. Der ist sicher hier, um uns die Hölle heiß zu machen.«
    Die fünf drängten sich zurück in den Vorraum des Lokals und überlegten, was sie nun unternehmen sollten.
    »Wir können hier nicht weg, solange der da draußen hockt«, sagte ein Junge mit langen, strähnigen Haaren, die ihm ständig ins Gesicht fielen. »Der fette Bulle weiß ganz genau, dass wir hier um diese Zeit nichts mehr zu suchen haben, und wenn er uns ins Röhrchen blasen lässt, dann sind wir sowieso dran.«
    »Genau«, stimmte ihm der Große zu. »Ich habe mindestens drei Bier und vier Wodka Red Bull getrunken.«
    »Es reicht«, sagte der Kleinste und Vorlauteste in der Gruppe. »Ihr könnt von mir aus noch bis Weihnachten hier rumstehen und jammern. Ich geh jetzt nach Hause. Ich muss daheim im Bett sein, bevor meine Mutter aufsteht und merkt, dass ich weg war.«
    »Deine Alte merkt doch eh, dass du unterwegs warst«, stellte der Pickelige fest. »Du stinkst viel zu sehr nach Tschick und Alk.«
    »Darum wird es jetzt auch höchste Zeit, dass ich nach Hause komme. Ich muss noch duschen, Haare waschen und Zähne putzen, bevor ich mich hinlege und so tue, als hätte ich die ganze Nacht selig in meinem Bettchen geschlummert. Also: Ich werde jetzt da rausgehen.«
    »Bist du wahnsinnig?«, wollte der Große wissen. »Du hast lieber Ärger mit dem fetten Dorfsheriff als mit deiner Mutter?«
    »Du kennst meine Alte nicht!«, sagte der Kleine und öffnete die Tür einen Spaltbreit. »Ich lass das Mofa einfach stehen und lauf nach Hause. Was soll der alte Sack denn tun? Es ist ja wohl nicht verboten, einen kleinen Morgenspaziergang zu machen, oder?«
    Der Kleine schwankte durch den frischgefallenen Schnee, während die anderen vier ihm ungläubig hinterherstarrten. Sollten sie ihm folgen? Keiner wollte als Feigling dastehen, aber sich mit der Polizei anlegen ...? Die Entscheidung fiel schwer.
    Noch während sie hektisch von einem Fuß auf den anderen

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