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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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trippelten und sich gegenseitig nervöse Blicke zuwarfen, kam der Kleine wieder zurückgerannt. Der angespannte Gesichtsausdruck
von vorhin war einem breiten Grinsen gewichen. Er lachte schelmisch und bedeutete den anderen rauszukommen.
    »Was denn?«, wollte der mit den langen Haaren wissen und machte ein paar zögerliche Schritte nach draußen.
    »Das müsst ihr euch ansehen«, rief der Kleine und wedelte weiter mit den Armen. »Morell pennt mit weit aufgerissenem Mund und schnarcht vor sich hin.«
    Die anderen vier lachten erleichtert und folgten dem Kleinen. Auf dem Weg zu ihren Mofas hielt der mit den langen Haaren plötzlich inne. »Ich hab da eine Idee ...«, sagte er und grinste verschwörerisch.
     
    ...
    Etwa eine halbe Stunde später verließ Karl Kaiser gemeinsam mit Becky Hagen sein Lokal, um sich auf den Weg nach Hause zu machen. Hand in Hand wollten die beiden gerade zu Kaisers Auto gehen, als etwas auf der anderen Straßenseite die Aufmerksamkeit des Barbesitzers weckte. Gemeinsam überquerten sie die Straße, musterten den komischen Anblick und konnten sich gerade noch die Hände vor den Mund halten, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Kopfschüttelnd und kichernd gingen sie zu Kaisers Wagen, stiegen ein und fuhren los.
    Kaiser setzte seine Freundin vor ihrer Wohnung ab und fuhr dann selbst nach Hause. Bevor er ins Bett stieg, hatte er einen Geistesblitz. Er holte das Telefonbuch und suchte nach einer Nummer. Nachdem er das Gespräch beendet und den Hörer wieder aufgelegt hatte, klopfte er sich auf die Schenkel und brach nun tatsächlich in lautes Lachen aus.

»Und er sah sich schon an irgendeiner Mauer lehnen,
zwölf Gewehrläufe ihm gegenüber, deren kleine,
runde, schwarze Löcher ihn anstarrten.«
    Guy de Maupassant, Die Schnepfe
    Morell schreckte durch ein Klopfgeräusch hoch. Wo war er? Er blinzelte und versuchte sich zu orientieren. Das Erste, was er bemerkte, war der Schmerz, der von seinem Nacken und den Schultern aus bis in seinen Kopf kroch. Er saß in einem Auto. In Benders Auto. Langsam kam die Erinnerung wieder zurück: Die Observierung. Er war kurz eingenickt, verdammt! Wie spät war es? Wie lange hatte er geschlafen? Er starrte zur Windschutzscheibe hinaus, konnte aber nichts sehen. Was war das? Er beugte sich nach vorne, bis sein Bauch durch das Lenkrad gebremst wurde. Irgendetwas klebte auf der Scheibe. Aber was war das? War das etwa ... Morell drehte den Zündschlüssel und betätigte die Scheibenwischer.
    Verflucht, irgendjemand hatte Benders Auto mit Klopapier umwickelt. Was sollte das? Die Scheibenwischer arbeiteten weiter, und je mehr sie Papier und Schnee zur Seite schoben, desto größer wurde Morells Unbehagen. Allmählich wurde die Windschutzscheibe frei, und Sonnenlicht drang nun ins Innere des Wagens. Außerdem hatten irgendwelche Scherzkekse ihre leeren Bierflaschen und anderen Müll auf der Kühlerhaube abgestellt.
    Morell schaute auf die Uhr und stöhnte. Es war bereits halb acht! Er hatte also die letzten sieben Stunden geschlafen, und damit nicht genug. Irgendwer hatte ihn entdeckt und sich einen bösen Scherz mit ihm erlaubt.
    Ein weiteres Klopfen an der Fahrertür riss ihn aus seinen Gedanken. Er drehte seinen Kopf nach links und erstarrte. Das musste ein Albtraum sein! »Das ist alles nur ein schlechter Traum«, murmelte er. »Ich werde gleich aufwachen, also nur nicht durchdrehen.« Er schloss die Augen und öffnete sie wieder. Es war kein Traum, denn immer noch starrte er direkt in das grell geschminkte Grinsen von Agnes Schubert.
    »Guten Morgen, Sie Schlafmütze«, kicherte sie und wedelte mit einer Papiertüte vor Morells Nase herum.
    Der Chefinspektor starrte fassungslos aus dem Fenster und sagte kein Wort.
    »Hallo! Aufwachen!« Sie klopfte noch einmal gegen die Scheibe, dieses Mal so heftig, dass Morell befürchtete, Frau Schubert könne mit ihren dicken Ringen, die sie an den Fingern trug, Benders Auto zerkratzen. Als sie nicht damit aufhörte, kurbelte er widerwillig die Scheibe ein paar Zentimeter hinunter.
    »Na, Sie machen mir aber Sachen, Sie hätten hier draußen erfrieren können«, sagte sie vorwurfsvoll und schüttelte den Kopf. »Einfach bei dieser Kälte im Auto einschlafen – das ist nicht ganz ungefährlich.« Sie kuschelte sich in ihren Pelzmantel, den Morell angewidert anstarrte. Er seufzte. Dieser Morgen war der Tiefpunkt seines Lebens: In Landau trieb ein Serienkiller sein Unwesen, er war bei der Observierung

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