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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Tausend Nadelstiche betäubten alles, was sie streiften. Maria konnte ihre Füße nicht mehr spüren. Sie versuchte in Bewegung zu bleiben, irgendwie Wärme zu erzeugen. Sie zitterte, bibberte, schlotterte, ihre Zähne klapperten. Wenn das so weiterging, dann würde sie hier drinnen nicht ertrinken, sondern erfrieren. Sie wusste nicht, was schlimmer war.
    Langsam, aber stetig stieg das Wasser. Es hatte fast ihren Gürtel erreicht, durchnässte bereits Hose und Slip, und als Nächstes würde sich auch ihr Pullover mit Kälte vollsaugen.
    Sie schrie, brüllte so laut sie konnte. Ihre Stimme war schrill, und das Echo, das von den Wänden kam, tat in ihren Ohren weh. Sie wollte nicht sterben. Nicht hier. Nicht jetzt. Und vor allem nicht auf diese Art und Weise. Es war würdelos, in einem modrigen Loch zu ertrinken. Wenn man sie fand, wäre sie aufgeschwemmt wie eine tote Ratte, ihr Gesicht aufgedunsen und ihre Haut weiß und schrumpelig. Es durfte nicht passieren. Nicht so. Es gab so viele Dinge, die sie noch machen wollte. So viele Träume, die sie im Laufe der letzten Jahre begraben hatte.
    Maria ballte ihre Hände zu Fäusten. » NEIN «, kreischte sie und
schlug in das Wasser, das ihr mittlerweile bis zum Bauchnabel ging. » NEIN !« Sie boxte gegen die Wände, die rund um sie herum emporragten, bis sie spürte wie Blut an ihren Fingerknöcheln herunterrann. Kaltes Wasser. Warmes Blut.
    Tränen kullerten über ihre Wangen. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie weinte. Dicke Tropfen rannen über ihr Gesicht und fielen ins Wasser, vermischten sich damit. ›Was für eine Ironie‹, dachte sie. ›Ich werde unter anderem in meinen eigenen Tränen ertrinken.‹
    Über ihr war ein Geräusch zu hören, und nur wenige Momente später wurde der Deckel wieder zur Seite geschoben. » HILFE «, schrie sie mit letzter Kraft. » HILFE !«
    Wasser spritzte in ihr Gesicht. Jemand hatte etwas heruntergeworfen. Es war ein kleines Segelboot.
    Und plötzlich verstand sie.

»Gehn wir aber wieder in unser Land
und nehmen zwölf Hammel mit,
mit eldoradischen Kieselsteinen beladen,
so sind wir reicher als alle Könige auf Erden ...«
    Voltaire, Candide
    »Warum du?«, fragte Capelli. »Warum schickt er ausgerechnet dir diese Briefe?«
    Lorentz zuckte mit den Schultern, während er wie wild auf der Maus herumklickte und auf den Bildschirm starrte. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Nicht einmal eine Vermutung?«
    Lorentz dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Absolut nicht.« Er schaute Capelli mit großen Augen an und zog dann sein Handy aus der Tasche. »Aber mir ist gerade jemand eingefallen, der vielleicht das Rätsel lösen könnte.« Er begann zu wählen.
    »Wer denn?«
    »Mein Mitbewohner, Peter. Er ist einer von diesen Dauerstudenten und hat schon mindestens fünfmal das Studienfach gewechselt. Im Moment studiert er Psychologie, davor waren es unter anderem schon Geschichte, Medizin, Germanistik und Literaturwissenschaften. Er ist ziemlich intelligent. Wenn er nicht so viel saufen und feiern würde, könnte er es weit bringen. Er interessiert sich auch für Denksport, Quizshows und solche Dinge. Wäre also möglich, dass er uns weiterhelfen kann.«
    Obwohl es bereits Mittag war, hatte Peter noch geschlafen und war nicht sehr begeistert darüber, geweckt zu werden. Seiner Stimme nach zu urteilen, hatte er eine feuchtfröhliche Nacht hinter sich.
    Lorentz schwor bei allem, was ihm heilig war, dass es sich um einen absolut lebenswichtigen Notfall handelte. Also erklärte Peter sich bereit, sein Hirn einzuschalten.
    »Ein Rätsel also, da bin ich ja schon mal gespannt.«
    Lorentz sagte langsam die drei noch nicht gelösten Wortreihen, sodass Peter sie mitschreiben konnte, und erklärte ihm anschließend das Prinzip der Aufgabe.
    »Interessant«, sagte Peter. »Ich werde sehen, was sich machen lässt, und melde mich bei dir, sobald ich was weiß. Wie lange wirst du denn noch in deinem Heimatkaff bleiben?«
    »So lange wie nötig. Ich kann jetzt hier nicht einfach abhauen. Außerdem sind wir noch eingeschneit.«
    »Na, dann werde ich solange noch die sturmfreie Bude genießen.«
    »Tu das. Aber mach dich bitte sofort an das Rätsel. Es ist wirklich wichtig.«
    »Ist doch klar. Ciao, Leander.«
    Capelli und Lorentz machten sich wieder ans Werk und suchten im Internet nach verschiedenen Möglichkeiten, die drei Begriffe miteinander zu kombinieren. »Wolf – Rot – Märchen, Wolf – Rot – Märchen ...«, wiederholte Lorentz leise.

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