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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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natürlich. Deshalb steht die Kühltruhe ja auch bei Ihnen im Kell ...« Das Klingeln seines Handys unterbrach den Chefinspektor. »Morell«, meldete er sich. »Was? Moment, der Empfang ist schlecht.« Er quetschte sich an Bender vorbei, der mittlerweile kreidebleich wieder im Türrahmen stand, lief die Treppe hinauf und ging ins Wohnzimmer. »So, Leander, jetzt müsste es gehen ... Was, verdammt, das gibt’s doch nicht! Bleib wo du bist, ich bin gleich da.«
    Der Chefinspektor, aus dessen Gesicht nun ebenfalls jegliche
Farbe gewichen war, legte auf. Es gab also einen neuen Brief! Und er, Morell, hatte angeblich den Hauptverdächtigen observiert, war aber eingeschlafen. Kaiser konnte es also im Prinzip immer noch gewesen sein ... Aber ergab das wirklich noch einen Sinn, nachdem sie gerade diesen Fund im Keller gemacht hatten? Sollte er das ›Hype‹ etwa auch noch durchsuchen? Morell atmete tief durch und überlegte. Er musste jetzt eine Entscheidung treffen. Nein, beschloss er, er war hier auf der falschen Spur, Kaiser hatte mit all den Morden nichts zu tun. Immerhin war er dem Barbesitzer aufgrund seiner Ermittlungen anderweitig auf die Schliche gekommen. Und selbst, wenn er sich irrte: Landau war immer noch zugeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten, es bestand also ohnehin keine Fluchtgefahr.
    Morell stieg wieder die schmale Kellertreppe hinab. »Wir müssen auf der Stelle weg, es gibt einen neuen Brief«, raunte er seinem Assistenten zu. Dann ging er zu Kaiser und nahm ihm die Handschellen ab. »Das Zeug hier ist beschlagnahmt«, sagte er und deutete auf die Kühltruhe. »In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken. Was glauben Sie, was geschehen wird, wenn die Bauern aus der Umgebung erfahren, dass der überteuerte Supersamen nicht von einem preisgekrönten Zuchtbullen, sondern von einem alten Rindvieh stammt? Sie können froh sein, wenn die nicht mit Mistgabeln und Traktoren vor Ihrem Haus auftauchen.«

»Nun sind wir alle, sprach ein Schildbürger,
ja große Narren und doppelte Zwölf-Esel ...«
    Karl Simrock, Die Schildbürger
    Zeitgleich mit den beiden Polizisten traf auch Nina Capelli im Revier ein. Offensichtlich hatte Lorentz ihr ebenfalls Bescheid gesagt.
    »Servus«, grüßte sie in die Runde. »Mein Gott, schon wieder ein Brief. Immerhin haben wir zwei Verdächtige weniger, Otto, denn Kaiser und sein Cousin können es ja nicht gewesen sein, die hast du ja die ganze Nacht observiert.«
    »Ähm ... ja ... äh, stimmt«, stammelte Morell, der seinen Fauxpas auf gar keinen Fall in Gegenwart seines Assistenten zugeben wollte.
    »Na dann los«, sagte Capelli. »Wir müssen uns sofort daranmachen, das Rätsel zu lösen. Wie lautet es denn?«
    »Ich hab noch gar nicht reingeschaut«, sagte Lorentz und legte den Brief auf Morells Schreibtisch.
    Alle vier starrten auf den weißen Umschlag, aber keiner wagte es, ihn zu öffnen, geschweige denn, ihn anzufassen.
    »Feiglinge«, fluchte Capelli endlich und griff sich den Brief. »Die Zeit läuft. Wir haben wahrscheinlich weniger als zwölf Stunden. Der Mörder hat den Brief ja sicher irgendwann in der Nacht
eingeworfen, also ist es schon eine ganze Weile her. Wir dürfen keine Sekunde verschwenden!«
    »Hier!« Morell reichte ihr ein paar Gummihandschuhe. »Zieh die lieber über. Auf dem letzten Brief waren zwar keine Fingerabdrücke – abgesehen von Leanders und denen seiner Mutter –, aber wir sollten auf Nummer Sicher gehen.«
    Capelli nickte, zog sich die Handschuhe über, öffnete mit zittrigen Händen das Kuvert und zog vorsichtig ein gefaltetes Blatt Papier heraus. Wie schon beim vorigen Schreiben waren vier Zeilen zu je drei Wörtern draufgestempelt:
    Gjöll – Acheron – Styx
Wolf – Rot – Märchen
Pyramid – Castor – Puschkin
Strawinsky – Buckingham – Kybele
    Morell schaute Lorentz entgeistert an. »Das Rätselraten geht also genauso weiter. Kannst du damit etwas anfangen?«
    »Mit der ersten Zeile schon. Aber ich habe keine Ahnung, was die anderen bedeuten sollen.«
    »Besser als nichts. Dann erklär uns mal die ersten drei Wörter.«
    »Für viele Kulturen bedeutet ›Jenseits‹ so viel wie ›am anderen Ufer‹. Sie glauben daran, dass ein Fluss die Grenze zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten bildet. Darum wurde früher den Verstorbenen oft eine Münze mitgegeben, damit sie den Fährmann bezahlen konnten, der sie über den Fluss brachte.«
    »Und weiter?«, fragte Morell.
    »Bei den Nordgermanen hieß dieser Grenzfluss

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