Die Zahl
und lehnte sich weit hinaus. Aber auch so konnte sie nicht mehr erkennen.
»Vorsicht, Fräulein, dass sie mir da nicht rausfallen«, sagte ein älterer Herr hinter ihr.
»Keine Angst.« Capelli schloss das Fenster wieder.
»Machen Sie sich Sorgen um Ihr Auto?«, fragte der Mann.
»Nein, um meinen Freund«, sagte Capelli und holte ihre Jacke. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Mein Freund? Der Gedanke gefiel ihr. Aber war er das jetzt wirklich? War Leander ihr fester Freund?
Sie zog sich die Jacke an und ging zur Haustür. »Leander«, rief sie, erhielt aber keine Antwort. »Leeeeaaaandeeeer?« Es war kalt, also schloss sie den Reißverschluss ihrer Jacke und trat auf den Vorplatz. Überall standen Autos und ein paar Fahrräder. Wo steckte er nur?
Der Platz war nicht beleuchtet. Nur das Licht, das aus den Fenstern des Hauses drang, und der Mond, der voll und groß am Himmel hing, erhellten die Nacht.
Capelli suchte das Auto von Lorentz’ Mutter. Es stand ganz links außen. Soweit sie erkennen konnte, hatte es weder eine Delle noch sonst irgendetwas, das auf einen Schaden hindeutete. War der Anruf, den Lorentz bekommen hatte, nur falscher Alarm gewesen? Capelli überkam ein mulmiges Gefühl.
Sie beschloss, sich nicht verrückt zu machen und wieder ins Haus zu gehen. Wahrscheinlich hatten sie sich einfach nur verpasst. Wahrscheinlich wartete Lorentz drinnen auf sie oder suchte sogar schon nach ihr.
Im Haus ging Capelli noch einmal durch alle Räume. Kein Lorentz weit und breit. Das ungute Gefühl von vorhin machte sich wieder in ihr breit. Erst küsste er sie, und dann war er plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Na wunderbar! Das durfte doch nicht wahr sein. Was dachte er sich dabei? War er wirklich so ein feiger Mistkerl? Hatte er sie verarscht? Erst anmachen, dann fallen lassen, und sie war wie ein dummes Schaf auf ihn reingefallen. Das Lächeln war ihr vergangen.
Mit entschlossenen Schritten ging sie ins Wohnzimmer, wo Dr.Levi gerade mit einer jungen Frau flirtete. Irgendwer hatte den
Couchtisch zur Seite geschoben, und einige der Gäste hatten angefangen zu tanzen.
»Hast du Leander gesehen?«, fragte Capelli wütend.
»Nein, ich habe ihn schon länger nicht mehr gesehen.« Dr.Levi bewegte seine Hüften im Takt der Musik und lächelte seine Gesprächspartnerin an. »Irgendwo wird er schon sein«, sagte er, als Capelli keine Anstände machte, wieder zu gehen und ihn mit seiner neuen Flamme allein zu lassen.
»Ich habe aber schon überall gesucht. Wo kann er denn nur stecken?«
»Ich habe keine Ahnung, er taucht sicher bald wieder auf.«
Capelli konnte sich nur ein müdes Lächeln abringen. Wahrscheinlich hatte Markus recht. Sie konnte sich nicht so sehr in Lorentz getäuscht haben. Aber wo steckte er?
Sie holte sich ein frisches Glas Bowle und drehte noch eine Runde. Auf dem Sofa sah sie Morell und Valerie sitzen.
»Entschuldigt die Unterbrechung«, sagte sie. »Aber habt ihr Leander gesehen? Er ist verschwunden.«
Morells Gesicht wurde ernst. »Wann hast du ihn das letzte Mal gesehen?«, wollte er wissen.
»Das war vor ungefähr einer halben Stunde. Er hat einen Anruf bekommen, dass das Auto seiner Mutter eine Delle habe, und ist rausgegangen, um nachzusehen. Seitdem ist er wie vom Erdboden verschluckt.«
Morell sprang auf. »Wir werden ihn suchen«, sagte er.
»Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich wollte euch nicht stören. Ich dachte nur, ihr hättet ihn vielleicht gesehen.«
»Ich bestehe darauf!«
Die Entschlossenheit, mit der er das sagte, beunruhigte Capelli. »Ist irgendetwas?«, fragte sie.
»Nein«, sagte Morell, aber seine Mimik verriet etwas anderes.
»Wenn etwas mit Leander ist, dann musst du es mir sagen!« Capelli wurde immer unruhiger.
»Es ist wahrscheinlich eh nichts«, versuchte Morell sie zu beschwichtigen. »Er will dich sicher nur ärgern. Du weißt ja, wie er ist.« Er entschuldigte sich bei Valerie, fasste Capelli am Arm und steuerte sie Richtung Küche.
Capelli wurde langsam böse. »Da ist doch was. Sag es mir!«
»Es ist nur eine vage Vermutung.« Morell schloss die Küchentür hinter sich und legte eine Hand auf Capellis Schulter.
Capelli schob sie trotzig weg. »Ich will jetzt auf der Stelle wissen, was mit Leander los ist!« Ihre Stimme bebte, sie war kurz davor Morell anzuschreien.
»Ich will dir nicht unnötig Angst machen. Setz dich hin und trink einen Schluck Wein, ich sehe so lange nach, wo er stecken könnte.«
»Ich tue gar nichts,
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