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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Gelenke. »Du redest über uns«, sagte er und verzerrte sein Gesicht vor Schmerz. »Du redest darüber, dass ich mit deinen Gefühlen gespielt habe. Wenn du das wirklich so empfindest, dann tut es mir leid. Es war nie meine Absicht, dir wehzutun.«
    »Mir wehtun?«, lachte Iris. »Was glaubst du denn, wer du bist? Hast du dir wirklich eingebildet, ich wäre eifersüchtig auf diese kleine, graue Maus? Hä? Hast du das wirklich gedacht?« Sie trat ihm zwischen die Beine. Lorentz wollte sich vor Schmerz krümmen, aber die Fesseln hinderten ihn daran. Ihm wurde abermals schwarz vor Augen.
     
    Als er wieder erwachte, stellte Lorentz fest, dass Iris angefangen hatte, Bücher auf ihn drauf zu stapeln. Sie hatte bei seinen Beinen begonnen.
    »Was soll denn das?«, ächzte er. »Willst du mich erdrücken?«
    Iris sagte nichts und legte eine große, schwere Ausgabe von Grimmelshausens ›Der Abenteuerliche Simplicissimus‹ auf Lorentz’ Brust. Das Gewicht des Buches schnürte ihm den Atem ab, und er rang nach Luft.
    Panik stieg in ihm hoch. Anscheinend stimmte mit Iris wirklich etwas nicht. Sie schien verwirrt zu sein und hatte ein verrücktes Glitzern in den Augen. Er versuchte sich zu bewegen und die Last von sich zu werfen, aber die Fesseln an seinen Armen und Beinen waren zu straff gezogen. Er sah, dass sie nach einem weiteren Buch griff.
    »›Auf der Suche nach der verlorenen Zeit‹ von Marcel Proust«, las sie. »Ich konnte das Buch noch nie leiden.« Sie legte es auf seinen Bauch.
    »Warum tust du mir das an?«, röchelte Lorentz, dem es schwerfiel, unter dem Gewicht zu atmen.
    »Rate doch mal!«
    »Bitte, Iris, ich bin gerade nicht zu Scherzen aufgelegt und habe keine Lust auf blöde Ratespielchen.«
    Iris kniete sich neben Lorentz’ Kopf, sah ihn an und strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ich dachte eigentlich immer, du wärst etwas Besonderes«, sagte sie in einem traurigen Tonfall. »Aber da habe ich mich wohl sehr in dir getäuscht. Du bist genauso wie die anderen.«
    »Welche anderen?«
    »Wie Susanne, Thomas, Raimund, Linda, Andreas, Maria und natürlich Joe.«
    Lorentz’ Herz begann zu rasen. Er riss die Augen auf und starrte Iris an. »Du?«, flüsterte er. »Aber das kann doch gar nicht sein? Sascha hat doch ...«
    »Sascha ist ein verdammter Idiot. Ich habe keine Ahnung, was ihn da geritten hat.« Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Ich würde ihm dafür am liebsten ordentlich in die Eier treten.«
    Ein riesiger Schwall Adrenalin durchflutete Lorentz’ Körper, mit einem Schlag war er völlig wach und klar im Kopf.
    »Dann hast du mir also diese Briefe geschrieben? Warum? Warum ich?« Tausend Gedanken rasten gleichzeitig durch Lorentz’ Hirn. Das musste ein Albtraum sein!
    »Weil ich dachte, du wärest anders. Ich dachte, du könntest mich verstehen und in der Lage sein, meine Botschaft zu erkennen. Aber du bist genau wie alle anderen: Blind, faul und feige.«
    »Ich verstehe nicht ...«, sagte Lorentz und stöhnte auf, als Iris ihm noch ein Buch auf die Brust legte.
    »In den Botschaften, die ich dir geschickt habe, ging es um mehr, als nur die Tatorte zu finden. Es ging darum, den Hintergrund zu erkennen. Verstehst du?«
    Lorentz schüttelte den Kopf.
    »Keiner hier hat es geschafft, die Zeichen, die ich hinterlassen habe, zu deuten. Als du hier aufgetaucht bist, habe ich gedacht: Das ist deine Chance, Leander wird den Code schon knacken. Aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
    »Und dafür willst du mich jetzt umbringen? Weil ich deinen Code nicht geknackt habe?« Als er das Wort ›umbringen‹ laut ausgesprochen hatte, wurde ihm das erste Mal die Gefahr bewusst, in der er sich befand. Jede einzelne Faser in seinem Körper spannte sich an, und er spürte, wie kalter Schweiß seine Schläfen hinunterrann.
    »Nein«, schrie Iris ihn an, wobei ein Regen von Speicheltropfen auf sein Gesicht nieselte. »Weil du genauso bist wie die anderen. Du bist krank! Du bist ein Mörder!«
    Lorentz rang nach Luft. »Das ist doch Unsinn«, presste er heraus.
    »Doch! Du hast deinen Traum getötet, ihn begraben unter einer
Schicht von Angepasstheit. Du hast ihn sterben lassen für ein wenig Geld und ein paar Annehmlichkeiten. Genau wie Joe, Andreas, Maria und die anderen bist du zu faul und zu feige, deinen eigenen Weg zu gehen.« Iris bespuckte ihn und versetzte ihm einen Tritt in die Rippen. »Wo sind sie denn geblieben, all die Dinge, die du im Leben erreichen wolltest? Wolltest du nicht

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