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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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bevor du mir nicht sagst, was Sache ist!« Capelli schrie nun fast.
    »Mach jetzt bitte keinen Aufstand«, flüsterte Morell.
    »Doch, das werde ich machen, wenn du nicht auf der Stelle mit der Sprache rausrückst.
    Morell atmete einmal tief aus. »Dreh jetzt bitte nicht durch«, sagte er leise, »aber ich habe die Befürchtung, dass Sascha Genz nicht unser Täter ist.«

»Und das alles besitzen Hilde und ihr Mann Grim;
der ist stark wie zwölf Männer,
aber sie ist noch stärker, und beide sind sie bös.«
    Dietrich von Bern
    Lorentz wachte langsam auf. Sein Kopf schmerzte, und er war völlig desorientiert. Irgendetwas war geschehen, aber er wusste nicht, was. Seine Augenlider waren so schwer, dass er es nicht schaffte, sie zu öffnen, aber er spürte, dass es rund um ihn herum warm war und er auf einem Teppich lag. Er erinnerte sich daran, dass er Capelli geküsst hatte. Zum Glück stand sie doch nicht auf Levi, diesen Schleimer. Er musste lächeln. Sie konnte gut küssen. »Nina?«, murmelte er leise.
    Die Schwere seiner Zunge und die Trockenheit seines Mundes irritierten ihn. Mit viel Anstrengung schaffte er es, seine Augen einen kleinen Spalt weit zu öffnen. Links und rechts von ihm ragten Regale in die Höhe, die voll mit Büchern waren. Irgendwie kam ihm das alles hier bekannt vor. Er war an diesem Ort schon einmal gewesen, konnte sich aber nicht mehr erinnern, wann. Angestrengt dachte er nach. Sein Schädel brummte, seine Gedanken waren zäh wie Kaugummi.
    Er versuchte sich aufzurichten, doch es ging nicht. Sein Körper war zu schwer. Es fühlte sich so an, als würde Blei durch seine Adern fließen. Was war nur los mit ihm? Wie in Zeitlupe drehte er
seinen Kopf zur Seite und sah, dass seine Arme und Beine ausgestreckt und an die seitlichen Regale gebunden waren. Was war denn das für ein kranker Scherz?
    Lorentz schloss die Augen wieder. Irgendwas war mit dem Auto seiner Mutter gewesen, und dann war da noch dieser andere Wagen, der ihn geblendet hatte ...
    Ein Stechen in seinem Oberschenkel brachte mit einem Schlag die komplette Erinnerung zurück. Diese dumme Kuh hatte ihm etwas in den Oberschenkel gespritzt. Sie hatte ihn betäubt.
     
    » IRIS !«, schrie er.
     
    Zuerst klang es nur wie ein Röcheln, aber dann nahm Lorentz all seine Kraft zusammen. » IRIS !«, rief er noch einmal, und diesmal klang es schon besser.
    Er konnte hören, wie Schritte auf ihn zukamen. »Sieh an, da ist jemand aufgewacht. Guten Morgen, Leander, gut geschlafen?«, hörte er die Stimme seiner Exfreundin fragen.
    »Wie lange war ich weg?«, krächzte er.
    »Nur ein paar Minuten. Aber das hat gereicht, um dich hierherzubringen und festzubinden.«
    Lorentz versuchte seinen Kopf zu heben und sie anzusehen. Iris stand direkt vor ihm, zwischen seinen gespreizten Beinen. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah zu ihm hinunter.
    »Spinnst du? Was soll das?«, fragte er. »Bist du völlig verrückt geworden?« Das Sprechen in dieser Haltung war zu anstrengend, also legte Lorentz seinen Kopf wieder auf den Boden.
    »Ganz und gar nicht«, antwortete sie. »Ich war selten so klar im Kopf wie in diesem Moment.«
    »Dann sei doch so nett, mach mich los und erklär mir, was das hier soll.« Lorentz spürte mehr Verärgerung als Angst.
    »Dummer, kleiner Leander. Ich habe eigentlich mehr von dir erwartet.
Zumindest, dass du von alleine draufkommst, warum du hier liegst.«
    Lorentz dachte kurz nach. Sein Denkvermögen war zwar noch nicht ganz wiederhergestellt, aber langsam wurde er klarer im Kopf. »Okay, okay«, sagte er, wobei ihm das Sprechen immer noch schwerfiel. »Es tut mir leid! Ich war ein unsensibler Klotz. Erst musst du mit dem Tod von Joe fertig werden, und dann komme auch noch ich daher, flirte mit dir und entscheide mich dann für Nina. Das war wirklich nicht okay. Bitte entschuldige, ich wollte dich nicht verletzen.«
    Sehr zu seiner Verwunderung begann Iris zu lachen – laut, grell und ganz und gar unnatürlich.
    »Du erbärmlicher, arroganter Trottel. Ich bin wirklich enttäuscht von dir!«
    »Ja, ja«, stotterte Lorentz, dem die Situation immer unheimlicher wurde. »Ich kann mir vorstellen, dass du enttäuscht bist. Mach mich doch bitte los, und wir reden darüber. In Ordnung?«
    »Nichts ist in Ordnung«, zischte sie. »Du hast wohl echt keine Ahnung, worüber wir hier sprechen?!«
    Lorentz zerrte und zog an den Stricken, mit denen Iris ihn festgebunden hatte. Sie gaben nicht nach und schnitten in seine

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