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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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soll ich es noch sagen – ich esse kein Fleisch«, stöhnte Morell, der kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.
    »Ja, ja, genau«, zwinkerte Capelli, »und der Braten lag nur rein zufällig in deiner Gefriertruhe.«
    Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, klingelte es jetzt auch noch an der Haustür. Morell öffnete, und niemand anderes als Leander Lorentz drängte sich hektisch an ihm vorbei. Der Chefinspektor wollte weinen.
    »Ich weiß jetzt, was die zweite Zeile bedeuten soll«, sagte Lorentz und schielte durch das kleine Fenster neben der Tür. »Ich glaube, mir ist keiner gefolgt, und zur Sicherheit habe ich das hier dabei«, er zog ein großes Küchenmesser aus seiner Jackentasche.
    »Mein Gott«, stöhnte Morell. »Hast du deinen Verstand etwa in Wien vergessen? Stell dir doch nur mal vor, du wärst ausgerutscht und da draufgefallen«, er zeigte auf die scharfe Klinge. »Dann hätte ich jetzt den nächsten Toten am Hals.«
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, motzte Lorentz zurück. »Ich sitze in diesem verfluchten Kaff fest, in dem ein durchgeknallter Mörder herumrennt, der mir eine Morddrohung geschickt hat. Und nachdem du nicht gerade hilfreich bist, muss ich wohl oder übel auf mich selbst aufpassen.« Er sah den Polizisten vorwurfsvoll an. »Mann, ist das kalt da draußen. Steht das Angebot von vorhin mit dem Tee noch?«
    »Von mir aus, drin bist du ja bereits. Und mein Abend ist sowieso schon ruiniert.«
    »Gar nicht mal übel, deine Bude«, sagte Lorentz, als sie die Treppe hinaufgegangen waren und er Morell in Richtung Wohnzimmer folgte. »Vielleicht ein wenig zu konservativ eingerichtet für meinen Geschmack, aber nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt habe.«
    ›Mich würde es nicht wundern, wenn es sich bei der komischen Nachricht tatsächlich um eine Morddrohung handelt‹, dachte Morell.
    »Ich wusste gar nicht, dass du verheiratet bist«, sagte Lorentz, als er hörte wie Capelli in der Küche mit Fred redete.
    »Bin ich auch nicht. Das ist die Gerichtsmedizinerin, die die Leichenschau vorgenommen hat. Sie wurde leider eingeschneit, und da kein Hotelzimmer mehr frei war, bleibt sie solange hier wohnen.«
    »Oh, wir haben Besuch!« Capelli kam aus der Küche und musterte Lorentz. »Und dann auch noch einen so gut aussehenden«, murmelte sie leise und ärgerte sich. Das war wieder einmal typisch. Ausgerechnet heute hatte sie sich zum Kochen ein ausgewaschenes T-Shirt und eine sehr bequeme, aber leider auch sehr unvorteilhafte Hose angezogen. Sie sah furchtbar aus.
    »Was hast du gemeint?«, fragte Morell.
    »Äh, ich sagte, was für ein Glück, dass ich so viel gekocht habe.«
    »Das ist Dr.Nina Capelli«, stellte Morell die Gerichtsmedizinerin vor.
    »Dr.Leander Lorentz«, entgegnete dieser und schüttelte ihre Hand.
    Capelli wollte gerade etwas sagen, aber Lorentz beachtete sie nicht länger und wandte sich wieder dem Chefinspektor zu. »Also«, begann er.
    »Das Essen ist gleich fertig«, wurde er von Capelli unterbrochen, die ein wenig verärgert über seine Unhöflichkeit war. »Ihr könnt das sicher auch beim Essen besprechen.«
     
    »Also«, begann Lorentz erneut, als sie alle drei am Esstisch saßen. »Der erste Begriff in der zweiten Zeile lautet Aida.«
    »Welche Zeile?«, unterbrach ihn Capelli schon wieder.
    Lorentz warf ihr einen genervten Blick zu. Die Frau war ein bisschen lästig, fand er.
    Nachdem Morell ihr den Sachverhalt kurz erklärt hatte, versuchte Lorentz es zum dritten Mal. »Der erste Begriff in der zweiten Zeile lautet Aida. Ich habe die Oper nie gesehen, aber meine Mutter hat einen Opernführer, in dem ich nachschlagen konnte.« Er holte ein sorgfältig gefaltetes Blatt Papier aus seiner Hosentasche. »Die Inhaltsangabe lautet folgendermaßen«, er räusperte sich und begann vorzulesen: »Aida, die Tochter des Königs von Äthiopien, lebt als Gefangene und Sklavin in Ägypten und liebt den ägyptischen Feldherrn Radames. Als dieser siegreich von einem Feldzug zurückkehrt, soll er als Belohnung die Hand der Pharaonentochter erhalten. Da er aber Aida liebt, beschließt er, mit ihr zu fliehen. Ein Gespräch der beiden, in dem Radames die Kriegspläne des Pharaos preisgibt, wird heimlich belauscht und Radames wird unfreiwillig zum Verräter am ägyptischen Volk. Der Verrat wird bekannt, Radames wird gefangen genommen und soll zur Strafe lebendig in einer Gruft eingemauert werden. Als das Urteil vollzogen wird, entdeckt er in seinem Kerker Aida, die

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