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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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zupfte an ihrem Ausschnitt herum.
    »Frau Schu ...«
    »Und dabei wollte ich Ihnen nur mal wieder eine kleine Stärkung vorbeibringen und kurz ›Grüß Gott‹ sagen. So eine Frechheit.«
    »Frau Schu ...«, versuchte Morell erneut, ihren Redefluss zu unterbrechen. Er hatte sich während der Wartezeit Wort für Wort
zurechtgelegt, wie er ihr wegen der Tratscherei gehörig die Meinung geigen würde.
    »Nun ja, ich habe extra ein paar Weihnachtskekse für Sie mitgebacken.« Sie nestelte wieder an ihrem Dekolleté herum. »Ich war mir sicher, dass Sie bei dem ganzen Ermittlungsstress keine Zeit für Weihnachtsbäckerei haben.«
    »Frau Schubert!« Morell starrte die ehemalige Handarbeitslehrerin grimmig an.
    »Nein, Herr Kommissar, Sie müssen mich jetzt gar nicht so böse anschauen! Ich werde Ihnen das Rezept für meine preisgekrönten Zitronenherzen nicht verraten. Vielleicht ein andermal, wenn Sie ganz, ganz lieb darum bitten.« Sie zwinkerte ihm erneut zu und sah dann auf die Uhr.
    »Frau ...«
    »Oh je, ich muss dringend los, ich habe noch einen Mohnkuchen im Backrohr, der muss gleich raus.« Sie stand auf und öffnete die Tür.
    »Warten Sie!«, rief Morell.
    »Ja?«, sie drehte sich lächelnd um.
    »Es geht um den Fall.«
    »Nein«, sie winkte ab. »Ich kann und will nicht mehr über diese schreckliche Sache reden. Das können Sie sicherlich verstehen. Dieser Vorfall bereitet mir Albträume, und ich will mich der Erinnerung nicht mehr weiter aussetzen.«
    »Aber Frau Schu ...«
    »Nichts zu danken, Herr Kommissar. Ich habe die Kekse gerne für Sie gebacken. Ich kann Sie arme, kleine Naschkatze doch nicht ganz ohne ein paar weihnachtliche Leckereien hier ausharren lassen. Probieren Sie unbedingt meine Krokantecken. Die werden Sie lieben!«
    »Frau ...«
    »Ich bringe Ihnen dann morgen ein Stück von meinem Mohnkuchen vorbei. Ich backe ihn nach einem Rezept von meiner
Urgroßmutter. Er schmeckt zum Sterben gut! Also bis morgen dann!«
    »Frau Schu ...«
    Aber da hatte sie die Tür zu seinem Büro auch schon wieder geschlossen.
     
    ...
    Im Vorzimmer riss Frau Schubert Robert Bender die Schachtel mit den Keksen aus der Hand und stellte sie zur Seite.
    »Unterstehen Sie sich, alle Kekse aufzuessen!«, zischte sie. »Die sind für den Herrn Kommissar!«
    Bender, der gerade ein Zitronenherz im Mund hatte, starrte sie fassungslos an.
    »Ich werde ihn morgen fragen«, drohte sie. »Wehe, er erzählt mir, dass er keinen Keks abbekommen hat!«
    Noch bevor Bender schlucken konnte, war sie auch schon wieder zur Tür hinaus. Es war wichtig, dass Morell ihr Gebäck aß. Immerhin ging Liebe durch den Magen. Sie würde Otto Morell, diesen Prachtkerl, schon noch rumkriegen, dafür würden sie und die Rezeptsammlung ihrer Urgroßmutter schon sorgen.

»Da hab ich kleine Windbüchsen, sein zwölf Geister drinnen,
wie ich losschieß, fahrt einer nach dem anderen heraus.«
    Ferdinand Raimund, Das Mädchen aus der Feenwelt
    »Hallo, Nina«, sagte Morell, als er am Abend nach Hause kam, und schaute ziemlich ungehalten auf den Saustall, der früher einmal seine Küche gewesen war.
    »Hallo, Otto«, lachte seine Besucherin. »Du bist zu früh dran. Ich wollte dich eigentlich überraschen!«
    »Das ist dir wirklich gelungen«, sagte Morell und ließ seinen Blick über das Schlachtfeld wandern.
    »Ich werde heute das Abendessen kochen«, verkündete Capelli. »Ich weiß zwar, dass es so gut wie unmöglich sein wird, sich mit deinen Kochkünsten zu messen, aber ich dachte, du wärest vielleicht ganz froh, wenn du nach einem anstrengenden Arbeitstag nichts mehr tun musst.«
    Morell schwieg. Einerseits hatte Capelli es ja nur gut gemeint, aber andererseits hatte sie sein Heiligtum entweiht. Sie hatte seine Küche geschändet, und zwar ordentlich. Überall war Mehl verstreut, und am Boden lagen Reste von Gemüse. Sie hatte so gut wie jeden Topf schmutzig gemacht, und mittendrin in der Sauerei saß Fred und kaute.
    Morell wollte am liebsten heulen. Seit dem Mord an Josef Anders
war sein ganzes Leben ein einziger schrecklicher Albtraum. Das Allerletzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war eine spleenige Gerichtsmedizinerin, die sein Haus in Beschlag nahm und versuchte – ähnlich wie die Schubert –, für ihn zu kochen. Apropos kochen, was sollte das eigentlich werden?
    Als hätte sie seine Gedanken gelesen, verkündete sie: »Es gibt Zwiebelrostbraten à la Capelli, dazu buntes Mischgemüse und zum Nachtisch Kaiserschmarren.«
    »Wie oft

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