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Die Zahl

Die Zahl

Titel: Die Zahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Verdacht war, nichts als ein blödes Hirngespinst. Er war nervös und schwitzte trotz der Kälte, die im Auto herrschte. ›Bitte nicht‹, dachte er. ›Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht. Alles, nur das nicht.‹ Ein Mörder in Landau war schon schlimm genug, aber der Gedanke an einen Serienkiller überstieg Morells Vorstellungskraft.
Er umklammerte das Lenkrad so heftig, dass sich seine Fingerknöchel weiß abhoben, und presste seine Lippen so stark zusammen, dass jegliche Farbe aus ihnen wich.
    Josef Anders’ Tod hatte alles verändert. Die Stimmung im Ort war angespannt, und der Chefinspektor spürte, wie die Last, die auf ihm lag, immer schwerer wurde. Er wusste nicht, ob er dem steigenden Druck im Falle eines weiteren Mordes gewachsen war.
    Sosehr er auch versuchte, die Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen, einfach an nichts zu denken, es gelang ihm nicht. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, sein Atem ging schwer, und es fühlte sich an, als ob ein großer Felsbrocken in seinem Magen liegen würde. Sein Nacken war mittlerweile so verspannt, dass es wehtat.
    Capelli studierte die Karte und sah immer wieder zum Fenster hinaus. Es war wunderschön. Ein verschneiter Wintertraum, ein Märchenwald. Ob die Schönheit trügerisch war?
    »Ich glaube, wir müssen hier rechts abbiegen«, sagte sie und zeigte auf eine Abzweigung. »Zumindest steht es so auf deiner Karte.«
    Morell nickte. »Ich hoffe, wir finden die richtige Stelle. Alles sieht so anders aus als im Oktober. Es ist so gleich und einheitlich. Im Herbst haben die Bäume verschiedene Blätter und verschiedene Farben. Man kann sich an Büschen, Steinen oder Ästen orientieren. Aber jetzt ist alles einfach nur weiß. Ich hasse diesen Winter.«
    »Da muss es sein«, rief Capelli plötzlich. »Wenn der Plan hier stimmt, dann sind wir da.«
    Morell hielt den Wagen an und schaute zum Fenster hinaus. Auf den ersten Blick wirkte alles ganz normal. Vorsichtig stiegen sie aus und schauten umher. Sollte es hier tatsächlich Spuren gegeben haben, so hatte sie der Schnee wieder zugedeckt. Außer einer harmonisch gewellten Schneedecke gab es nichts zu sehen.
    »Also, ich kann nichts Auffälliges erkennen«, sagte Capelli.
»Soweit ich das beurteilen kann, ist hier alles recht friedlich und naturbelassen. Für mich sieht es nicht so aus, als hätte hier jemand vor kurzem eine Grube gegraben und irgendwen bei lebendigem Leib verscharrt – oder so was Ähnliches.«
    Morell musste ihr recht geben. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. »Verdammter Leander Lorentz und sein doofer Brief«, sagte er. »Wahrscheinlich sitzt der Verfasser hinter irgendeinem Stein oder auf einem Baum und lacht sich kaputt über uns.« Er atmete auf und sah sich um. »Vielleicht hat Leander die Nachricht sogar selbst verfasst, um wieder einmal zu beweisen, wie schlau er ist.«
    Capelli stimmte ihm zu und begann zu lachen. »Oder es war dieser Andreas Adam selbst, der die Wörter gestempelt hat. Er wollte seine Frau verlassen und hat zu viele schlechte Filme gesehen.«
    Morell schmunzelte, doch dann verdüsterte sich seine Miene schlagartig und das Lachen blieb ihm im Halse stecken. Auf der verschneiten Lichtung vor ihnen hatte er einen kleinen dunklen Fleck entdeckt.
    Er rannte darauf zu. Capelli folgte ihm, ohne zu wissen, was den sonst so trägen Chefinspektor zu einer solchen sprinttechnischen Meisterleistung angetrieben hatte.
    »Was ist das?«, rief sie ein wenig außer Atem, als Morell plötzlich stehen blieb und sich nach etwas bückte.
    Er sagte nichts und hielt ihr stattdessen eine dunkelbraune Mütze entgegen. Morell und Capelli starrten sich erst gegenseitig an, dann sahen sie auf den Boden. Voller Entsetzen wurde ihnen klar, dass dort, wo sie jetzt standen, der Schnee nicht ganz so hoch war wie ringsherum.
    Ohne ein Wort zu sagen, rannte Capelli zum Auto und kam wenige Augenblicke später mit den Schaufeln wieder zurück.
    Beide gruben wie verrückt – immer tiefer, immer tiefer. Es ging nicht darum, Andreas Adam zu retten. Wenn er wirklich dort unten lag, dann war er mit Sicherheit tot. Es ging darum, Gewissheit zu erlangen.
    Morell wusste in seinem Inneren, dass es doch kein Scherz gewesen war. Er ahnte, was auf ihn zukommen würde. Trotzdem bekam er einen Riesenschreck, als Capelli ein rotes Stück Stoff freilegte.
    Sie buddelten mit den Händen weiter. Versuchten das, was auch immer hier vergraben lag, ans Tageslicht zu bringen, und klammerten sich an den Gedanken, dass

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