Die Zarentochter
Tanzfläche. »In Ollys und Adinis Tanzbüchlein ist gewiss kein Blatt leer geblieben, alle Herren wollen die Ehre genießen, mit ihnen tanzen zu dürfen. Ach, was gäbe ich darum, auch noch einmal so herumwirbeln zu können …« Ein tiefer Seufzer folgte, den Nikolaus geflissentlich ignorierte. Im Gegensatz zu seiner Frau konnte er dem Tanzen schon lange nichts mehr abgewinnen. Er legte seine Hand auf die ihre. »Das denkst du nur, in Wahrheit bist du genauso froh wie ich, dass wir all das hinter uns haben.«
Das Ehepaar tauschte einen liebevollen Blick. Sie beide, Großfürst Michael und Großfürstin Helene saßen in bequemen Polstersesseln auf einer leicht erhöhten Empore, von wo aus sie das Geschehen unten im Saal bestens verfolgen konnten. Auch das Brautpaar hatte hier seine Plätze, doch seit Eröffnung der Tanzrunde blieben deren Sessel leer.
»MitOlly muss dringend etwas geschehen«, sagte der Zar so unvermittelt, dass Alexandra erst gar nicht wusste, wovon er sprach.
»Dass Stephan wieder nicht gekommen ist, ärgert mich über alle Maßen. Am liebsten würde ich einen bösen Brief nach Wien schreiben. Wie lange soll Olly eigentlich noch auf ihn warten? Die Blockadehaltung Österreichs in dieser Angelegenheit bestärkt mich nur weiter in meiner Überzeugung, dass Olly doch Erzherzog Albrechts Antrag hätte annehmen sollen. Stell dir vor, er ist inzwischen schon zum Generalmajor ernannt worden, nun dauert es nicht mehr lange und er wird Feldmarschallleutnant.«
»Wie schön«, sagte Alexandra geistesabwesend. Wer war nur der attraktive junge Mann, mit dem Olly gerade tanzte? Wie glücklich sie dabei aussah. Und das trotz Stephans Nichterscheinen – Ollys Contenance war wirklich bewundernswert.
»Äußerst wohlhabend ist Albrecht obendrein. Man sagt, er habe ein Händchen darin, sein Vermögen zu mehren«, fuhr Nikolaus fort.
»Aber mein Lieber«, sagte Alexandra. »Du selbst warst doch der Ansicht, dass es eher schädlich wäre, wenn sich Albrecht und Stephan mit ihrer Werbung um Olly in die Quere kommen. Weil dabei die Gefahr bestünde, dass am Ende beide aus Respekt vor dem anderen abspringen. Nur aus diesem Grund hat Olly Albrechts Werben brieflich eine Absage erteilt.« Sie verzichtete darauf zu erwähnen, dass der Mann Olly sowieso zuwider und sie dem Rat ihres Vaters mehr als willig gefolgt war.
»Damals dachte ich, dass Stephan mehr Mumm in den Knochen hat. Das kommt davon, wenn man sich keinen Soldaten aussucht.« Nikolaus knallte sein Glas so missgelaunt auf den Tisch, dass sich ein Kristallsplitter löste.
»Und wenn wir uns diskret nach einem anderen Kandidaten umsehen würden?«, flüsterte Alexandra. Ihr war gerade eingefallen, wer Ollys Tänzer war. »Was würdest du beispielsweise vom Herzog von Nassau halten? Schau nur, welch hübsches Paar er und Olly abgeben. Wiesbaden könnte Olly gefallen.«
Im nächsten Moment schoss Helenes Kopf zu ihr herum. »Sprecht ihretwa über Adolph Herzog von Nassau? Dass er nun schon den dritten Tanz mit Olly führt, gefällt mir überhaupt nicht.«
Alexandra biss sich auf die Lippen. Helene hatte ihre Ohren wieder einmal überall, das hätte sie sich eigentlich denken können.
»Meine Liebe, eines möchte ich gern klarstellen«, fuhr Helene fort. »Besagter Herr ist für meine Elisabeth vorgesehen, wir führen schon seit Anfang dieses Jahres entsprechende Gespräche mit Wiesbaden. Äußerst vielversprechende Gespräche«, fügte sie überheblich hinzu.
»Nun, an einem Tag wie heute entscheiden immer noch die jungen Leute selbst, mit wem sie das Tanzvergnügen haben möchten, nicht wahr?«, erwiderte Alexandra frostig.
Helene winkte ab. »Hätte Olly damals, als ich meinen Bruder für sie vorgeschlagen habe, die richtige Wahl getroffen, wäre sie längst unter der Haube. Aber nein, ein Württemberger war ihr nicht gut genug, für sie muss es der ungarische Palatin sein. Wenn sie nun leer ausgeht, liegt das gewiss nicht an mir.«
»Himmel noch mal, jetzt beruhige dich«, fuhr der Zar seine Schwägerin an. »Olly wird schon nicht als alte Jungfer enden. Vielmehr wird sie ihren Stephan bekommen, dafür sorge ich. Gleich morgen werde ich Graf Medem anweisen, in Wien die Dinge etwas dringlicher als bisher voranzutreiben.«
»Ach Nikolaus, du hast wie immer die besten Ideen«, sagte Alex andra, der das Gespräch allmählich lästig wurde. Die Musik war so beschwingt! Der Champagner schmeckte herrlich! Alle waren froh und glücklich. Nur Nikolaus fand
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