Die Zarentochter
fühltest. Wer weiß, ob du nicht längst verheiratet wärst, hättest du dich nicht so beirren lassen.«
»Fallsihr wieder einmal über meinen Bruder schimpfen wollt –« Schon machte Cerise Anstalten, sich zu erheben.
»Keine Sorge, ich werde auf dieses Thema gewiss nicht eingehen, du kannst dich beruhigt wieder setzen«, erwiderte Olly. Sie warf Mary einen giftigen Blick zu. »Konversationen mit dir sind wirklich wunderbar, da du immer alles besser weißt.«
»Ganz unrecht hat Mary nicht, ich kann mich auch an Zeiten erinnern, in denen du froh warst, nichts von Stephan zu hören«, sagte Adini.
»Mir könnte er für alle Zeiten gestohlen bleiben«, erwiderte Olly heftig. »Aber Vater und Sascha ist es ja so wichtig, dass wenigstens eine von uns eine für Russland wünschenswerte Ehe schließt.« Mit leiser Genugtuung registrierte sie Marys schuld bewussten Blick.
»Also, ich kann mir immer noch gut vorstellen, dass Stephan und du füreinander bestimmt seid«, sagte Adini betont fröhlich. »Vielleicht wird eure Liebe durch all die Hindernisse nur einer Art Prüfung unterzogen?«
Olly runzelte die Stirn. »Einer Art Prüfung? Ich glaube inzwischen vielmehr, dass hinter alldem nur Kanzler Metternich steckt! Er ist derjenige, der gegen mich intrigiert. Kaiser Ferdinand, Stephan, sein Vater, der Palatin Joseph – sie alle sind zu schwach, um sich gegen Metternich aufzulehnen. Er ist derjenige, der die Geschicke Österreichs verwaltet. Und dazu gehören anscheinend auch Verehe lichungen. Stephan und ich sind ja nicht die Einzigen, gegen deren Verbindung er intrigiert – schon vor Jahren trieb Metternich ähnlich Schindluder mit Ferdinand Philippe, dem Herzog von Orleans.«
Mary schüttelte den Kopf. »Was du alles zu wissen glaubst! Stehen diese Intrigen etwa in den vielen Zeitungen, die du ständig liest? Du bist ja bald studierter als alle Professoren zusammen.«
Adini lachte. »Stimmt, wenn du so weitermachst, kannst du bald selbst in die Politik gehen.«
»Macht euch nur lustig«, sagte Olly. »Ich hätte schon viel früher beginnen müssen, mich über die Verhältnisse in Österreich zu informieren. Dann wäre mir bald klargeworden, dass diese Verheiratung allesandere als leicht werden würde. Nur wer nichts weiß, kann für dumm verkauft werden.«
»Olly«, mahnte Anna. »Jetzt übertreibst du aber wirklich. Alle wollen nur dein Bestes, das weißt du.«
»Vater setzt Himmel und Hölle in Bewegung, damit die Österreicher eurer Heirat zustimmen. Gerade eben hat er wieder Graf Orloff nach Wien geschickt, um die Lage zu sondieren. Ich dachte immer, das einzige Problem läge darin, dass du keine Katholikin bist?« Mary gab ihrer Tochter eine silberne Rassel in die Hand, die diese sogleich in hohem Bogen wegwarf.
»Ach ja, die Frage nach der richtigen Religion vergaß ich zu erwähnen«, sagte Olly sarkastisch. »Falls Stephan wirklich Palatin in Ungarn wird, würde man dort natürlich lieber eine katholische Frau an seiner Seite sehen. Aber Vater meint, dass eine gemischte Ehe durchaus möglich ist, so etwas hätte es sogar schon einmal gegeben. Als seine Schwester Alexandra vor vielen Jahren den Erzherzog Joseph heiratete, ist anscheinend ein Geheimvertrag geschlossen worden, in dem beide Kaiserhäuser festlegten, dass eine Russin, die nach Österreich einheiratet, weiterhin ungehindert ihren Glauben leben darf.«
»Aber das ist doch wundervoll! Solch ein Dokument ist bindend, solange keine der Parteien Einspruch erhebt. Also würde dieser Vertrag auch für dich gelten.« Adini klatschte in die Hände, auch Anna merkte sichtbar auf.
»Schon, aber das verflixte Dokument ist nirgendwo auffindbar. Vater lässt sämtliche Archive auf den Kopf stellen.« Olly lächelte müde. »Es ist nicht so, dass ich seine Anstrengungen nicht zu schätzen weiß, aber ich glaube einfach nicht, dass dieser Geheimvertrag noch etwas bewirken würde. Ach, ich habe die ganze Sache so satt!« Am liebsten hätte sie hinzugefügt, dass Stephan ihr völlig egal war. Er war ein Fremder für sie, dem sie sich eine Zeitlang auf romantische Art verbunden gefühlt hatte. Ihr Herz jedoch hatte für einen anderen geschlagen.
Mary klingelte erneut nach ihrem Dienstmädchen und wies es an, die Kinder, die um mehr Kakao bettelten, mitzunehmen. Sofort er töntelautes Protestgeschrei. Kaum war es verebbt, schenkte Mary ihren Gästen Sekt nach.
»Nehmen wir einmal an, aus Olly und Stephan würde wirklich nichts werden …« Um
Weitere Kostenlose Bücher