Die Zarentochter
Aufmerksamkeit heischend, schaute Mary in die Runde. »Dann wäre es doch sinnvoll, sich einen weiteren Plan zu überlegen, oder?«
Adini und Cerise nickten zögerlich.
Olly seufzte. »Glaubst du, das habe ich nicht längst getan? Viel ist mir nicht eingefallen.« Sie hielt für einen Moment inne, dann sagte sie: »Vielleicht sollte ich Adini im kommenden Herbst nach Berlin begleiten? Womöglich treffe ich Stephan zufällig auf einem der großen Bälle. Oder ich lerne einen anderen Herrn kennen. Was ist – war um sagt ihr nichts?«
Adini biss sich auf die Unterlippe, schaute fast flehentlich zu Mary, die plötzlich eingehend ihr Kleid glattstrich.
»Ich bin mir nicht sicher, ob dies eine gute Idee wäre«, sagte Adini gedehnt.
»Aber warum denn nicht?«, erwiderte Olly. »Zu zweit hätten wir sicher viel Spaß.«
»Schon, aber überlege doch mal, wie viele Verehrer du schon hattest. Immer geht es nur um dich …«
Olly starrte ihre Schwester verblüfft an. »Es geht immer nur um mich?«
Adini rutschte auf ihrem Stuhl hin und her, ihr war die Wendung, die dieses Gespräch genommen hatte, sichtlich peinlich. »So meine ich das nicht. Aber jetzt bin einfach ich an der Reihe, in die Gesellschaft eingeführt zu werden. Du weißt genau, dass dies schon letzten Herbst hätte geschehen sollen. Leider hat damals meine Gesundheit verhindert, dass ich mich ins Ballgetümmel stürze. Und nun bin ich auch schon achtzehn Jahre alt.«
Olly sah sie höhnisch an. »Schon achtzehn? Du Ärmste! Hast du etwa Angst, dass ich dir einen Ehemann vor der Nase wegschnappe? Keine Sorge, das wird nicht geschehen.« Mit zittriger Hand nahm sie einen Schluck Sekt. Die Flüssigkeit rann sauer ihre Kehle hinab. Wie konnte die Schwester in ihr nur eine Konkurrentin sehen?
»Duals Adinis Anhängsel in Berlin, das halte ich auch für keine gute Idee«, sagte Mary. »Wahrscheinlich würden die Leute hinter deinem Rücken gemein tuscheln.«
»Vielleicht wäre es am sinnvollsten, wenn wir weitere Pläne Sascha und eurem Vater überlassen. Ich könnte mit den beiden sprechen«, bot Cerise an. »Ganz sicher fällt ihnen etwas ein, wie dir zu helfen wäre.«
Olly spürte, wie sich in ihr sämtliche Stacheln aufstellten. Dass sie nun schon die Schwägerin als Fürsprecherin brauchen sollte, war ihr neu. »Ich brauche keine Hilfe. Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe? Niemand braucht sich um mich zu kümmern, die Männer können mir gestohlen bleiben. Alles ist gut so, wie es ist!« Die Tränen, die ihr in die Augen stiegen, zeugten allerdings von etwas anderem.
Mary stand auf, ließ sich neben Olly auf die Chaiselongue fallen, umarmte sie. Ihr dicker Bauch drückte dabei unangenehm in Ollys Seite.
»Den Kopf in den Sand zu stecken macht die Sache auch nicht besser. Damit ist jetzt Schluss.« Mary hob Ollys Kinn an, so dass dieser nichts anderes übrigblieb, als in Marys vor Aufregung gerötetes Gesicht zu schauen.
»Ich habe nämlich eine wundervolle Idee für dich. Eigentlich ist es gar keine Idee, vielmehr ist es schon ein richtig ernsthafter Plan. Also, pass auf …«
»Und, was sagst du zu Marys tollem Plan?«, fragte Olly, während Anna ihr wie jeden Abend die Haare bürstete. »Also, ich finde es unmöglich, dass sie einen wildfremden Herrn in ihr Landhaus eingeladen hat, um ihn mir vorzustellen. Ohne mich zu fragen. Und nun erwartet sie, dass ich entzückt bin.«
Anna musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Wenn Olly wütend war, war sie noch hübscher als sonst. Dann kräuselte sich ihre makellose Stirn, ihr Mund schürzte sich vor Empörung, wodurch er noch voller und rosiger wirkte, ihre Augen funkelten strahlender als all ihre Edelsteine. All das würde sie ihrem Zögling natürlich nie sagen.Olly wusste auch so, dass sie zu den schönsten Damen in ganz Europa gehörte. Aber was nutzte es ihr?
Mit einem Seufzer legte Anna die Bürste weg und suchte im Spiegel Blickkontakt. Ollys Augen hatten in den letzten zwei Jahren eine Tiefe bekommen, die Anna fast Angst machte. So viel Seele in solch einem jungen Menschen …
»Mary wollte dir eine Freude bereiten. Sehr bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie garstig du zu ihr warst. Du könntest dir den Herrn zumindest anschauen. Laut Mary scheint Friedrich von Hessen wirklich sehr nett zu sein.« Sie teilte Ollys Haare in drei Stränge, dann begann sie, einen Zopf zu flechten.
»Du weißt so gut wie ich, dass Mary sehr gut darin ist, Dinge, die ihr wichtig sind, in einem schönen
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