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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einen guten Eindruck bei dem Württemberger hinterließe. Dass Anna dafür zu sorgen hatte, verstand sich von selbst.
    Gift. War Gift eine Möglichkeit? Als sie bei der russischen Kräuterfrau nach Medizin für Adini gefragt hatte, hatte die Heilerin in einem Nebensatz erwähnt, dass manche Kräuter auch tödlich waren.
    Aber wo sollte sie hier giftige Kräuter herbekommen? Vielleicht gab es so etwas in Italien gar nicht.
    Jemand kam ins Zimmer, wahrscheinlich Anna. Warum lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe?, hätte Olly am liebsten geschrien. Stattdessen zog sie ihre Decke übers Gesicht. Sie wollte niemanden sehen. Sie wollte allein verrückt werden. Vielleicht war sie es längst.
    Und wenn sie nichts mehr essen würde? Wie schnell würde sie verhungern? Mary war damals zwar von Tag zu Tag schwächer gewor den,aber ob sie wirklich den Hungertod gestorben wäre? Nein, sich zu Tode zu hungern dauerte einfach zu lange.
    Ein Sturz aus dem Fenster? Zu gefährlich. Am Ende brach sie sich lediglich ein Bein.
    Aber ein Sturz von einem hohen Berg … Der Monte Pellegrino. Das war eine Möglichkeit.
    Eine Hand zupfte an der Bettdecke. »Olly, Kind, wach auf! Ich weiß doch, dass du wach bist.« Anna setzte sich zu ihr auf die Bett-kante. »Schau mal, ich habe dir einen Teppich aus Rosenblüten gelegt. Das sind meine Neujahrswünsche für dich: Du sollst nur noch auf Rosen gebettet sein …«
    Stirnrunzelnd schaute Olly auf den dunkelbraunen Parkettboden, der über und über mit roten Rosenblättern bestreut war. Die gute Anna. Mit einem Aufseufzen drehte sie ihr Gesicht zur Wand.
    »Das neue Jahr kann mir gestohlen bleiben«, murmelte sie in ihr Kissen.
    »Ach Kind, ich weiß, wie dir zumute ist, aber –«
    Auf einmal war Olly Annas Mitleid so zuwider, dass sie die Hofdame am liebsten gepackt und geschüttelt hätte. Zornig fuhr sie wieder herum. »Nein, das tust du nicht! Keine Ahnung hast du davon, wie es ist, ständig abgewiesen zu werden. Einen Korb nach dem anderen zu bekommen. Du weißt doch auch längst, dass ich ein hoffnungsloser Fall bin. Mich will keiner! Warum trägst du deinen Optimismus also weiterhin vor dir her wie eine brennende Kerze? Warum soll gerade ich auf Rosen gebettet sein – so ein Blödsinn!«
    »Aber du kannst doch nichts für diese ganze Misere. Nichts davon ist deine Schuld, so etwas darfst du nicht einmal denken.«
    Olly schnaubte. »Irgendeinen Grund wird es schon haben, dass kein Mann auf dieser Welt mich haben will. Ich werde als alte Jungfer sterben. Und du an meiner Seite, wenn du nicht endlich dein Pflichtgefühl überwindest und das Weite suchst.«
    Annas Augen weiteten sich voller Entsetzen. »Ich bin doch nicht aus Pflichtgefühl bei dir, sondern weil ich dich liebe! Keinen Tag, den wir miteinander verbracht haben, möchte ich missen.«
    Olly lachte bitter auf. »Dann bist du der einzige Mensch, der so denkt.Sogar meinen Eltern bin ich eine Last geworden. Du hast es doch gestern selbst gehört: Wie saures Bier hat Vater mich angepriesen. Wahrscheinlich spottet ganz Europa über mich, so wie St. Petersburg es längst tut.« Sie schluckte. Der Gedanke, dass ihr Vater sich ihrer schämte, brachte sie fast um.
    »Wie soll ich jemals wieder den Leuten unter die Augen treten? Alle werden über mich lachen. Am besten wäre ich tot! Warum lässt der Allmächtige mich nicht einfach sterben? Er hat ja doch keine Verwendung für mich.«
    »Olly, Kind, versündige dich nicht. Du wirst sehen, es kommen auch wieder bessere Tage. Und dann …«
    Olly schloss die Augen. Sie wollte Annas verzweifelt um Munterkeit bemühte Miene nicht sehen. Sie wollte ihre optimistischen Hirngespinste nicht hören. Sie wollte nicht an bessere Tage denken. Sterben wollte sie.
    Probeweise faltete sie die Hände über ihrer Brust und hielt den Atem an.
    Vielleicht, wenn sie ganz ruhig dalag, würde ihr Herz irgendwann aufhören zu schlagen …
    Kurze Zeit später wurde die Zimmertür so schwungvoll aufgerissen, dass Grand Folie vor Schreck von Ollys Bett sprang. Der Geruch nach Zitronen und Alexandras Eau de Parfum durchdrang rasch die abgestandene Luft im Zimmer.
    »Anna sagt, du willst partout nicht aufstehen? Was soll das, Olly? Findest du dein Verhalten nicht ziemlich kindisch?«
    War das die Stimme ihrer Mutter? Unter ihrer Bettdecke zwickte sich Olly rasch in den Arm. Ein leiser Schmerz breitete sich aus. Sie lebte also immer noch. Unwillig schlug sie die Augen auf, zog die Decke von ihrem Gesicht.
    Stirnrunzelnd

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