Die Zarentochter
wanderte der Blick der Zarin über den Rosenteppich.
»Anna sollte dir den Hintern versohlen, statt deine Bockigkeit auch noch zu belohnen.«
»Warum lassen Sie mich nicht allein? Ist es denn ein Verbrechen, wenn man seine Ruhe haben möchte?«, sagte Olly barsch.
AlexandrasAugenbrauen bildeten hohe Bögen. »Mäßige deinen Ton und höre mir zu: Vorhin erreichte mich die Nachricht, dass Karl von Württemberg am frühen Nachmittag hier eintreffen wird. Deine Ruhebedürftigkeit wirst du daher auf später verschieben müssen.«
»Karl von Württemberg?« Schlagartig war Olly wach. »Aber … Ich dachte … Ich habe ihm gegenüber doch noch gar keine Einladung ausgesprochen! Wie kann er hier so einfach –«
»Dein Vater hat ihn eingeladen, schon vor Wochen, wenn du es genau wissen willst. Sie haben sich in Venedig getroffen, als Nikolaus auf der Durchreise von Rom nach Wien war. Dein Vater wünscht, dass du den Prinzen triffst. Heute noch.«
Olly schaute verwundert auf. So gestreng kannte sie die Zarin gar nicht. »Mutter, ich bitte Sie, das müssen Sie doch verstehen, nach den Nachrichten von gestern ist mir nicht nach irgendwelchen Plauderstündchen zumute.«
»Du weißt so gut wie ich, dass es hier nicht um ein Plauderstündchen geht«, entgegnete die Zarin ungewohnt scharf.
Olly runzelte die Stirn. »Aber –«
»Schau mich nicht so entgeistert an. Karl kommt, weil er um dich werben möchte, das muss dir doch klar sein. Für ein Plauderstündchen hätte er gewiss nicht die Alpen überquert und Tausende von Kilometern zurückgelegt. Angeregte Gespräche kann man auch in Stuttgart führen.«
»Aber Mutter –«, hob Olly an, wurde jedoch sofort unterbrochen.
»Spar dir deine Worte, ich kenne jeden Einwand, den du vorbringen willst, zur Genüge. Aber du kannst nicht immer nur an dich denken. Bis jetzt haben Nikolaus und ich dich gewähren lassen. Wir haben akzeptiert, dass du Max von Bayern ablehnst. Schweren Herzens hat dein Vater sogar akzeptiert, dass du Erzherzog Albrechts Werbung abgelehnt hast, obwohl der Mann ihm sehr gut gefällt. Stattdessen war Nikolaus zu allen möglichen Konzessionen bereit, um dir die Ehe mit Stephan zu ermöglichen – nicht, dass du seine Bemühungen auch nur im Geringsten geschätzt hast.«
»Das stimmt nicht«, entgegnete Olly lahm. »Ich bin Vater und Ihnen wirklich dankbar für alles.«
DieZarin winkte ab. »Und was deine Liebelei mit Alexander angeht … Glaub nicht, eure Zuneigung wäre uns damals entgangen. Ich war es, die deinen Vater besänftigte, die seinen Blick von euch ablenkte. ›Olly weiß, was sie tut. Niemals würde sie sich Leidenschaften hingeben, die uns oder Russland schaden‹, habe ich zu ihm gesagt und allabendlich gebetet, dass ich recht behalten möge.«
Unter Alexandras strengem Blick senkte Olly die Lider. Wenn du wüsstest , schoss es ihr durch den Kopf. »Und was erwarten Sie nun von mir?«, fragte sie leise.
Alexandra seufzte. »Nichts, was ich nicht auch von mir selbst in solch einer Situation erwarten würde. Ich möchte, dass du stolz und aufrecht durchs Leben gehst!« Mit ihrer Fußspitze zertrat sie ein paar der welken Rosenblätter, dann ging sie zu Ollys Kleiderschrank und warf einen prüfenden Blick hinein. Sie zog ein weißes Baumwollkleid heraus. Es war mit Spitzen und rosafarbenen Stickereien verziert und gehörte zu Ollys Lieblingskleidern. Kurzerhand drapierte sie es über einen der Stühle, dann durchwühlte sie unbeholfen die Schubladen.
Mit sinkendem Herzen schaute Olly zu, wie sich zu dem Spitzen-kleid die passenden Handschuhe und Strümpfe gesellten. Dass sich ihre Mutter höchstpersönlich an ihrer Garderobe zu schaffen machte, überzeugte Olly mehr als alles andere.
Die Zarin trat erneut an Ollys Bett. Ihr Blick war voller Liebe, als sie sagte: »Ach Kind, glaubst du etwa, ich wüsste nicht, wie elend dir zumute ist? Am liebsten würde ich mich zu dir setzen und mit dir weinen. Aber Gott bürdet uns nicht mehr auf, als wir tragen können. Er steht uns bei. Wir Romanows lassen uns nicht unterkriegen, ganz gleich, wie schlimm uns das Leben mitspielt. Ganz gleich, wie gemein die Menschen hinter unserem Rücken über uns reden. Wir bewahren unseren Stolz in jeder Lebenslage. Und –« Sie ergriff Ollys Hand. »Wir halten zusammen. Immer und überall.«
Olly nickte bedächtig. Für einen langen Moment schwiegen sie beide, dann schwang Olly ihre Beine über die Bettkante.
»Und wenn er mir nun gar nicht gefällt?«, sagte
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