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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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zum Abend ein reines Nervenbündel sein – nicht gerade die besten Voraussetzungen, um den König von Württemberg auf Augenhöhe zu begegnen.
    Hatte sie einst auch so viel Angst davor gehabt, Nikolaus’ Mutter kennenzulernen? Alexandra konnte sich nicht erinnern. Die Begegnung mit seinem Vater war ihr jedenfalls erspart geblieben – als Nikolaus sie nach Russland geholt hatte, war Zar Paul schon viele Jahre tot gewesen. Auch er war anscheinend ein seltsamer Kauz gewesen, sie hatte also Glück gehabt. Wahrscheinlich wäre sie ansonsten auch tausend Tode gestorben, so wie Olly dies gerade tat.
    Auf einmal konnte Alexandra das Elend ihrer Tochter nicht mehr mit ansehen. »Weißt du, ich freue mich wirklich sehr, das Königspaar zu treffen, aber ich bin all dieser offiziellen Empfänge so müde! Immer geht es so schrecklich streng und ernsthaft zu.«
    Sofort hellte sich Ollys Blick auf. »Meinst du, es gibt eine Möglichkeit, das Treffen aufzuschieben?«
    Die Zarin lächelte. »Das nicht, aber warum ignorieren wir das gestrenge Protokoll nicht einfach und statten dem König einen spontanen Besuch ab? Wir fahren in sein Hotel und stellen uns vor. Très léger. Tout de suite.«
    »Jetzt?« Ollys Augen weiteten sich vor Schreck.
    Auch Karl fuhr herum. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte er vorsichtig. »Mein Vater ist solche Überraschungen nicht gewöhnt und –«
    »Umso erfreuter wird er sein!«, unterbrach Alexandra ihren zukünftigen Schwiegersohn. Sie hatte längst Gefallen an ihrer Idee gefunden. Je schneller sie dieses erste Treffen hinter sich brachten, desto besser.
    Noch während sie im Salon des Hotels darauf warteten, in die Räume des Königs vorgelassen zu werden, bereute Alexandra ihre spontane Idee allerdings schon wieder. Sie war es nicht gewohnt zu warten und stellte ärgerlich fest, dass sich auch bei ihr ein unangenehmes Grummeln in der Magengegend einstellte. Wie mochte es da erst Olly gehen. Scheinbar musste der König erst seinen Mittags schlafbeenden, bevor er bereit war, seine Gäste zu empfangen. Was für ein Affront! Obwohl Alexandra vor Wut kochte, tat sie Olly und Karl gegenüber so, als sei alles ganz normal. Es musste nicht sein, dass sich ihre Tochter ebenfalls ärgerte. Sie sollte ihren Schwiegereltern unvoreingenommen begegnen.
    Endlich kam ein Page, um sie zu holen. Während sie die Treppen zur Fürstensuite hinaufstiegen, tobte vor den Fenstern ein heftiger Frühjahrssturm. Der Himmel hing schwer und düster über der Stadt. Ob das Wetter doch ein schlechtes Omen für diese Begegnung war?, fragte sich Alexandra bang.
    Der württembergische König Wilhelm I. und seine Frau Pauline standen im spärlich beleuchteten Entree ihrer Suite, um sie zu begrüßen. Da kein Zeremonienmeister anwesend war, übernahm Karl die offizielle Vorstellung. Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, als sein Vater ihn zur Seite schob.
    »Die hochverehrte Zarin von Russland! Und ihre Tochter, die Großfürstin Olga!« Mit großer Geste breitete Wilhelm seine Arme aus, als wollte er sie umarmen. Stattdessen ergoss sich ein Schwall russischer Worte über Alexandra, von denen sie nur die Hälfte verstand. Als sie nicht gleich antwortete, gab es eine peinliche Pause.
    »Verehrter König!« Lächelnd trat Olly einen Schritt nach vorn und bedankte sich ebenso wortreich für seine Grußworte. »Es ehrt uns, dass Sie uns in unserer Landessprache begrüßen. Allerdings ist meine Mutter des Russischen kaum mächtig. Und Karl und ich unterhalten uns sehr unkompliziert auf Französisch, es ist also nicht nötig, dass Sie unsertwegen solche Anstrengungen unternehmen.«
    Noch während Alexandra Olly im Stillen für ihre Flucht nach vorn lobte, traf sie der strenge Blick des Württembergers.
    »Die Zarin von Russland kann kein Russisch? Sehr erstaunlich.« Er wandte sich an Olly. »Das wird’s bei uns nicht geben, Sie werden schon ordentliches Deutsch lernen müssen. Mit dem Französischen allein kommen Sie am Stuttgarter Hof nicht weit.«
    »Oh, ich habe fest vor, mein Deutsch zu verbessern. Karl hat mir Bücher Ihrer berühmten deutschen Dichter geschenkt, da macht das Üben umso mehr Spaß. Und da ich mehrere Sprachen fließend spre che,wird mir eine weitere nicht schwerfallen«, antwortete Olly freundlich.
    »Dann ist es ja gut. Jedenfalls geht es nicht an, dass mein Sohn ständig nur auf Französisch parliert. Ist dir unsere Sprache etwa nicht mehr gut genug?«, fuhr er Karl an.
    In dem engen

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