Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
tun?
    Für einen langen Moment starrte Olly ins Leere. Dann griff sie tief Luft holend nach einem weiteren Bogen Papier. Sie lächelte, als sie die Feder erneut ins Tintenfass tauchte.
    Geliebter Engel Adini,
    in diesen Tagen muss ich noch öfter als sonst an Dich denken. Du fehlst mir! Die Verlobung ist gerade vorbei, im Sommer steht meine Hochzeit ins Haus – plötzlich geht alles ganz schnell. Genau wie einst bei Dir und Friedrich. Sag, hattest Du damals keine Angst vor Deiner eigenen Courage? Mir geht es nämlich so. Vielleicht ist es gut, dass mir nicht viel Zeit zum Nachdenken bleibt.
    Ich glaube, Karl würde Dir gefallen. Er ist so anders als die meisten Männer, die wir kennen. Sehr feinfühlig und sensibel. Und nicht solch ein Draufgänger wie … Du weißt schon, wer. Er hat mir übrigens geschrieben, ich habe seinen Brief gerade eben verbrannt. Falls Gott mich damit prüfen wollte, habe ich mit Bravour bestanden, oder?
    Ich muss so oft daran denken, was Du sagtest, als Du mir zum Abschied das Saphirarmband überreicht hast: Du wolltest mir damit ein Stück vom Himmel schenken. Nichts anderes erlebe ich gerade mit Karl – den Himmel auf Erden. Liebste Schwester, Du hattest so wenig Zeit, Dein Glück zu genießen. Ich verspreche Dir deshalb, dass ich fortan doppelt glücklich sein werde. Einmal für mich – und einmal für Dich.
    Deine Olly

29. KAPITEL
    D er letzte Tag in Palermo war angebrochen. Olly und ihre Mutter standen am offenen Fenster und schauten ein letztes Mal aufs Meer.
    »Es ist schon seltsam, obwohl mir so viel Schönes bevorsteht, fällt mir der Abschied von Palermo schwer.« Seufzend schwenkte Ollys Blick hinüber zum Monte Pellegrino. Würde sie ihn je wiedersehen? Würde sie jemals wieder den einzigartigen Duft der Wandelröschen und Mispeln einatmen dürfen?
    In einer selten vertrauten Geste legte die Zarin einen Arm um ihre Tochter. »Dieser verzauberte Ort ist wirklich segensreich für uns gewesen. Mir kommt es so vor, als wären wir beide neugeboren. Als stünde uns ein völlig neues Leben bevor.«
    »Olly? Eure Hoheit? Die Kutschen sind abfahrbereit«, ertönte Annas Stimme hinter ihnen.
    Olly holte tief Luft. »Dann wollen wir mal!«
    Ihre Reise führte über Neapel, wo am Hof ein großer Empfang für sie gegeben wurde. Dann folgte eine nicht enden wollende Seereise nach Livorno, von wo aus es über Pisa nach Florenz ging. Inmitten des florentinischen Frühlings kam es endlich zu einem Wiedersehen mit Karl, der ihnen entgegengereist war, kaum dass es seinem Vater wieder besserging. Er wohnte im selben Hotel wie die Zarin und ihre Tochter. Die Begrüßung samt scheuer Umarmung war gerade erstzu Ende, als er seine Geschenke auspackte: ein weicher Schal aus feinster Wolle für die Zarin, die so leicht fröstelte. Und ein Stapel Bücher verschiedener deutscher Dichter für Olly. Schüchtern überreichte er ihr außerdem eine seltene Versteinerung, die auf der Schwäbischen Alb, einer Berglandschaft in der Nähe von Stuttgart, gefunden worden war.
    Entzückt betrachtete Olly die versteinerte Muschel. »Dass du dir meine Vorliebe für Mineralien gemerkt hast!«
    Karl lächelte verlegen. »Ich habe kein einziges Wort von dir vergessen. Wer weiß, vielleicht ist diese Versteinerung der Anfang einer Fossiliensammlung? Württemberg besitzt zwar keine wertvollen Bodenschätze, aber versteinerte Käfer und Muscheln findet man dafür umso mehr.«
    Im silbernen Licht der Toskana unternahmen die Verlobten einige Ausflüge: Sie fuhren nach Poggio a Cajano, machten eine Landpartie entlang des Arno, besichtigten einige Kunstgalerien. Während Karl, der Florenz von einem früheren Besuch kannte, kenntnisreich über all die Bilderschätze und architektonischen Kunstwerke plauderte, hörte Olly nur mit halbem Ohr hin. Das war ja alles schön und gut, aber nicht das, was sie hören wollte. Nach einem besonders ermüdenden Galerierundgang fasste sie sich ein Herz.
    »Mein lieber Karl, es ist wirklich unglaublich, wie gut du dich mit den Künsten auskennst. Aber die Präraffaeliten interessieren mich derzeit eher weniger, wo ich so gern mehr über dich erfahren möchte! Wie warst du zum Beispiel als Kind? Ein frecher Junge? Ein braver Schüler? Und was ist mit deinen Geschwistern? Kamt ihr gut miteinander zurecht? Eigentlich weiß ich noch gar nichts über dich.« Spielerisch versetzte sie ihm einen kleinen Stoß.
    »Warum soll ich dich mit Geschichten aus meiner Kindheit betrüben?«, antwortete er mit

Weitere Kostenlose Bücher