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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Eingangsbereich roch es nach verstaubten Vorhängen, Schimmel und feuchtem Teppich. Alexandras Nase kräuselte sich, sie musste niesen. Was sollte das alles? Wann bat der König sie endlich einzutreten? Und warum stand Königin Pauline nur mit weit aufgerissenen Augen da, statt die Rolle einer Gastgeberin zu übernehmen?
    »Vater, bitte, wollen wir nicht hineingehen? Eine Tasse Tee oder Kaffee kämen ebenfalls gelegen.« Unruhig trat Karl von einem Bein aufs andere, während seine Mutter ihm irgendwelche Handzeichen gab, die Alexandra nicht zu deuten wusste. Was für ein seltsamer Empfang! Sie war sich nicht sicher, ob sie Nikolaus davon erzählen sollte. Bestimmt wäre er über so wenig Ehrerbietung sehr ungehalten. Seit der Kränkung in Wien war er in dieser Hinsicht noch empfindlicher als sonst. Womöglich würde er dann wieder so heftig reagieren, unbedachte Worte äußern oder gar per Depesche versenden, und Ollys Hoffnung auf einen Ehemann würde sich noch einmal zerschlagen. Das konnte sie nicht riskieren. Alexandra holte tief Luft und sagte:
    »Ich hoffe, unser kleiner Überfall kommt nicht ungelegen. Aber wir konnten es nicht mehr erwarten, Sie endlich kennenzulernen. Ich habe so viel von Ihnen gehört …« Jenes Lächeln, von dem die ganze Welt behauptete, es wäre unwiderstehlich, trat auf ihr Gesicht. Der König schien Alexandras Ausstrahlung gegenüber jedoch immun zu sein.
    »Ungelegen? Du lieber Himmel, nein«, sagte er leichthin. »Von meinem Sohn bin ich nichts anderes gewohnt, als dass er sämtliche Regeln des Anstands außer Kraft setzt. Dass er allerdings Hoheiten wie Sie ebenfalls dazu verführt, ist neu. Wusste Herr Hackländer von deinen Plänen? Wo ist er eigentlich?«, raunte er Karl zu, während er sie endlich in den Salon geleitete.
    Dasselbefragte sich Alexandra auch. Sie wusste, dass Olga Karls Sekretär nicht sonderlich mochte – ihr persönlich wäre der redselige Mann im Augenblick jedoch willkommen gewesen.
    »Wollen wir uns nicht setzen? Bestimmt sind Sie durstig«, sagte Pauline endlich.
    Sie nahmen an einem großen Tisch aus Nussholz Platz. Nachdem ein Dienstmädchen Getränke ausgeschenkt hatte, erkundigte sich der König nach ihrer Anreise. Olly war gerade dabei, von ihrem unfreiwilligen dreitägigen Aufenthalt in Trient aufgrund überfluteter Straßen zu erzählen, als er sie unterbrach. Ohne erkennbaren Zusammenhang begann er, von eigenen Reiseerfahrungen aus vergangenen Zeiten zu erzählen.
    Wollte er ihnen damit zeigen, dass auch er ein weitgereister Mann von Welt war?, fragte sich Alexandra. Das zweifelte doch niemand an. Sie setzte eine interessierte Miene auf und nutzte den Moment, um ihr Gegenüber genauer zu betrachten.
    Karls Vater war ein stattlicher Mann, groß, breitschultrig, kernig. Sein Blick war geradeheraus, hatte jedoch nichts Herzliches, vielmehr lag ein Hauch Herablassung darin. Dafür, dass er schon über sechzig Jahre alt und vor kurzem schwer krank gewesen war, wirkte er sehr rüstig, befand Alexandra. Obwohl sie ihn nicht sonderlich sympathisch fand, konnte sie sich seiner Ausstrahlung nur schwer entziehen. Als junger Mann war er gewiss sehr anziehend gewesen. Kein Wunder, dass sich Nikolaus’ Schwester einst in ihn verliebt hatte.
    Die Königin hingegen war ein fades, blasses Wesen. Sie wirkte erschöpft und blutarm. Ihr Körper schien keinerlei Spannkraft zu besitzen, Alexandra kam es so vor, als koste es Pauline immense Kraft, ihren Rücken gerade zu halten. Dabei war sie bestimmt wesentlich jünger als ihr Gatte und ebenfalls von kräftiger Statur. Unter einem üppigen Busen spannte sich ihr Kleid unschön über einer nicht vorhandenen Taille, auch an den Oberarmen saß der feine Stoff ihrer Robe viel zu eng. Ihr aufwendiges, wertvolles Kleid war das einzig Bemerkenswerte an ihr, befand Alexandra. Das und ihr Blick, der angstvoll auf ihren Gatten gerichtet war, als fürchte sie, im nächsten Moment wieder einmal seinen Zorn auf sich zu ziehen.
    »Ichmuss schon sagen, Sohn, mit Großfürstin Olga hast du dir eine wahre Schönheit ausgesucht. Wurde auch Zeit, dass endlich etwas Anschauliches ins Haus kommt«, sagte Wilhelm just in diesem Moment, und Alexandra kam es so vor, als werfe er seiner Gattin dabei einen besonders unwirschen Blick zu.
    Die Unterhaltung verlief in ähnlicher Art weiter. Wilhelm war nicht unhöflich, doch für Alexandra war es offensichtlich, dass der Mon arch schlecht gelaunt war. Während sie und Olly von seinen ver balen

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