Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Nadelstichen verschont blieben, bekamen Karl und Pauline umso mehr ab. Beide wussten sich nicht zu wehren, wurden immer unsicherer, schwiegen am Ende fast die ganze Zeit. Es war Olly, die mit leiser Ironie Wilhelms Bemerkungen parierte oder ihn ablenkte. Ihr gelang es sogar, Wilhelm hie und da ein Lächeln zu entlocken. Alexandra war beeindruckt – so viel Contenance und diplomatisches Geschick hätte sie ihrer Tochter gar nicht zugetraut. Sie würde beides bitter nötig haben.
    Nach einer ewig dauernden Stunde verabschiedeten sie sich schließlich. Karl blieb bei seinen Eltern, für den nächsten Tag verabredete man sich zu einem zweiten Treffen.
    »Das lief doch ganz wunderbar, finden Sie nicht auch, Maman? Der König und die Königin sind wirklich reizend«, sagte Olly, während sie die Treppe hinabstiegen. »Wir werden sicher bestens miteinander auskommen.«
    Alexandra glaubte nicht richtig zu hören. »Sehr reizend, wirklich«, murmelte sie lahm.
    »Es war einfach nur schrecklich. Karls Vater hatte eine furchtbare Laune!« Wütend schleuderte Olly ihre Stiefel durchs Zimmer. »Karl hatte recht, er scheint Überraschungen nicht wirklich zu schätzen.«
    »Deine Mutter hat es nur gut gemeint«, erwiderte Anna und sammelte Ollys Stiefel wieder ein.
    Olly nickte missmutig. »Wenigstens habe ich dieses erste Treffen jetzt hinter mir und weiß, woran ich bin. Etwas mehr Herzlichkeit hätte ich mir allerdings schon gewünscht, immerhin werde ich Wil helmsSchwiegertochter. Ich heirate seinen einzigen Sohn, werde Teil seiner Familie. Wenn ich nur an die vielen Glückwünsche von Vater und meinen Geschwistern denke, die an mich und Karl gerichtet waren! König Wilhelm hingegen sprach mit mir, als wäre ich eine fremde Gräfin, die er zufällig auf einem Ball getroffen hat. Und wenn er überhaupt mit Karl sprach, dann in sehr herablassendem, fast abfälligem Ton. Von Friedrich Hackländer scheint er dafür umso mehr eingenommen zu sein. In epischer Breite hat er uns von einem Report über eine Orientreise vorgeschwärmt, den Hackländer in seinem Auftrag geschrieben hat. Karl saß ganz belämmert daneben – wie kann ein Vater nur so gemein sein!«
    Dass sich Karl nicht zur Wehr gesetzt hatte, wunderte sie einmal mehr. Natürlich mussten Kinder gegenüber ihren Eltern gehorsam und ergeben sein, aber alles brauchte man sich doch nicht gefallen lassen. War Karl immer so? Oder hatte er sich ihretwegen heute besonders zurückgenommen? Olly konnte sich darauf keinen Reim machen.
    »Und die Königin? Wie ist sie?« Die Neugier in Annas Stimme war nicht zu überhören.
    Olly seufzte. »Genau wie Karl sie mir geschildert hat. Lieb und nett, aber mir kam es so vor, als wage sie es kaum, in Gegenwart des Königs einen Atemzug zu machen. Ich hatte das Gefühl, sie mag mich, traut sich aber nicht, ihre Sympathie offen zu zeigen. Seltsam, oder?« Würde sie zu dieser verzagten, im wahrsten Sinne des Wortes nichtssagenden Frau je eine herzliche Beziehung aufbauen können?, fragte sich Olly.
    »Schau nicht so sorgenvoll drein«, sagte Anna. »Ich glaube mich zu erinnern, dass Großherzogin Helene einmal erwähnte, es sei recht schwierig, mit ihren Landsleuten warm zu werden. Die Württemberger sind wohl ein Menschenschlag, der eine gewisse Zeit braucht, bis er jemandem sein Vertrauen schenkt. Gib deinen neuen Verwandten eine Chance.«
    »Meinst du? Karl ist doch ganz anders«, sagte Olly skeptisch. »Ich glaube vielmehr, Wilhelm passt es nicht, dass sich Karl eigenmächtig mit mir getroffen hat, ohne ihn zuvor zu informieren. Heute wollte der alte Brummbär mir wohl zeigen, wer in seiner Familie in Wahrheitdas Sagen hat.« Noch während sie sprach, spürte sie, wie Beklommenheit und Ärger von ihr abfielen. Was bedeutete schon ein erster Eindruck? Sie hatte alle Zeit der Welt, die guten Seiten von Pauline und Wilhelm – und von Karls Schwestern noch dazu – kennenzulernen. Ein Gefühl von Stärke erfüllte sie, ihr Blick bekam einen energischen Ausdruck. Sie würde sich ihr Glück nicht kaputtmachen lassen, von Wilhelm nicht und auch von sonst niemandem!
    »Der württembergische König ein Brummbär – wenn dich deine Mutter hören könnte.« Anna hob missbilligend die Brauen, konnte aber ein leichtes Schmunzeln nicht verhindern. »Das Wichtigste ist, dass du mit Karl gut auskommst. Und was seinen Vater angeht: Du wirst bestimmt Wege finden, den Brummbären milde zu stimmen.«
    Olly lächelte. »Da bin ich mir sicher. Aber wenn der

Weitere Kostenlose Bücher