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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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war. Und allabendlich schloss sie nun die Armen in ihr Gebet ein, woraufhin das Beten doppelt so lange dauerte wie bisher.
    Die Zeit ohne Mutter und Schwester verging schneller, als alle Beteiligten geglaubt hatten. Fast über Nacht brach das Frühjahr an und bescherte den St. Petersburgern mit der Eisschmelze der Kanäle auch das leidige Hochwasser. Noch als sich entlang der Straßen Berge von Sandsäcken türmten und einige Stadtteile überflutet waren,kehrten die Zarin und ihre Tochter nach St. Petersburg zurück.
    Freudengeheul schallte durch die langen Gänge des Winterpalastes, als Alexandra ihre Kinder in die Arme schloss.
    Mary bezog kurz darauf eine eigene kleine Wohnung im Palast – unmöglich konnte sie nun, da sie allabendlich an Gesellschaften teilhaben würde, weiterhin in den Kinderzimmern wohnen!
    Olly und Adini bewunderten Marys neue Räume und die Unmengen von Hüten und Kleidern, die sie aus Berlin mitgebracht hatte. Geduldig hörten sie sich Marys Geschichten von Leuten an, die sie nicht kannten, und von Theateraufführungen, von denen sie noch nie gehört hatten. Wollten jedoch sie selbst etwas erzählen, tat Mary gelangweilt oder blätterte in ihrem Kalender, als habe sie Angst, eine wichtige Verabredung zu verpassen.
    Adini hatte dafür volles Verständnis – ihre Erlebnisse während des Winters waren nun einmal bei weitem nicht so aufregend gewesen wie die der großen Schwester, da war es doch kein Wunder, dass sich Mary langweilte. Umso geschmeichelter fühlte sie sich, dass die erwachsen gewordene Schwester ihr überhaupt so viel Aufmerksamkeit widmete. Sie konnte nicht genug bekommen von Marys Schilderungen der großen Festlichkeiten, der Musik, den prachtvollen Roben.
    Auch andere Zuhörer zog Mary mit ihrer lebhaften Art in den Bann. Ganz gleich, in welcher Gesellschaft sie erschien – sie war der gefeierte Mittelpunkt.
    Olly fühlte sich neben Mary noch unscheinbarer als früher und mit ihren Geschichten konnte sie nicht viel anfangen. Vieles davon kam ihr banal und langweilig vor.
    In die Gesellschaft eingeführt werden – ein paar Jahre zuvor hatte Olly in ihrer kindlichen Naivität noch geglaubt, dass man dabei ganz unterschiedliche Leute kennenlernen durfte: Ärzte und Fleischer, Wäscherinnen und Schneider, Mönche und all die anderen Menschen, die eine Gesellschaft ausmachten. Wo und wie lebten diese Menschen? Was taten sie den lieben langen Tag über? Was waren ihre Lieblingsspeisen? Inzwischen wusste Olly nicht nur aus Marys Erzählungen,dass man unter »in die Gesellschaft eingeführt werden« etwas ganz anderes verstand, nämlich eine Aneinanderreihung von Festen, Bällen und endlosem Geplauder. Wenn sie daran dachte, dass ihr in ein, zwei Jahren dasselbe bevorstand, graute ihr schon jetzt.
    »Mary ging der schöne Schein eben schon immer über alles«, sagte Charlotte, als Olly bemerkte, sie könne die ganzen Berliner Geschichten nicht mehr hören. »Tiefe wirst du bei ihr vergeblich suchen. Vielleicht fällt dir das nur auf, weil du dich verändert hast?«
    Olly hatte darauf keine Antwort.
    Manche Dinge waren allerdings beim Alten geblieben: Gleich am ersten Tag gerieten Mary und Charlotte aneinander, als Mary von ihren unzähligen Berliner Verehrern schwärmte und mit einem Blick auf die Gouvernante hinzufügte, wie ungerecht es doch sei, dass anderen Damen nicht ein einziger vergönnt war. Charlotte hatte schon zu einer schmallippigen, scharfen Erwiderung angesetzt, als Olly dazwischenfuhr und zuckersüß fragte, wie es denn käme, dass Mary ihnen trotz all der ungezählten Verehrer noch keinen Heiratskandidaten präsentieren könne? Die ältere Schwester war daraufhin beleidigt abgerauscht, und Olly hatte aufgeatmet.
    Zum Glück war Mary viel zu beschäftigt, der Petersburger Gesellschaft ihre neue Garderobe vorzuführen, als dass sie sich ernsthaft mit Ollys Gouvernante anlegen konnte.
    »Ich weiß gar nicht, was Mary gegen Charlotte hat«, wunderte sich eines Tages auch Adini, der die kleinen Streitereien inzwischen ebenfalls auffielen. »Charlotte ist doch so lieb, sie ist wie eine zweite Mutter für dich.«
    Olly nickte heftig. Ja, Charlotte war immer für sie da. Und daran änderte sich auch für den Rest des Jahres nichts. Doch kaum war das Jahr 1836 eingeläutet, begannen sich die Streitereien zwischen Mary und Charlotte noch zu verstärken. Olly intervenierte fast jedes Mal, doch nicht immer erfolgreich. Die Stimmung wurde zusehends angespannter.
    Im

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