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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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einfach nicht gerecht«, sagte Olly. »Ich verstehe wirklich nicht, warum Mutter und Vater nichts gegen diesen blöden Lütke tun.«
    »Man muss nicht alles verstehen, viel wichtiger ist es, jede Sekunde unseres Glücks auszukosten«, sagte Mary und hob ihr Weinglas. »Auf einen unvergesslichen Sommer!«
    Olly bugsierte Grand Folie auf den Boden, dann zog sie die Beine untersich. »Nochmals zurück zu deiner Bräutigamschau … Sag, gefällt dir denn immer noch keiner? Ich meine, immerhin hast du schon drei Saisons hinter dir.« Über Adini hinweg hangelte sie nach der Schale mit den Kljukwabeeren.
    Mary beantwortete Ollys Frage mit einem geheimnisvollen Lächeln. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen, ihr Blick wurde weich und liebevoll. »Einer könnte mir schon gefallen. Die anderen …« Sie winkte ab.
    »Erzähl schon!«
    »Wer ist es denn?«
    »Wie sieht er aus? Kennen wir ihn?«
    Mary lächelte abermals. »Wisst ihr, die Bälle und Empfänge, die ich besuchen darf, sind wirklich schön. Aber nach jedem Abend muss ich mich gegenüber den Eltern rechtfertigen, weil mir wieder einmal keiner der anwesenden Herren gefallen hat. Doch was kann ich dafür? Der eine stottert, der nächste hat Mundgeruch, der dritte ist ein tödlicher Langweiler. Keiner kann unserem Vater annähernd das Wasser reichen.«
    Olly und Adini tauschten einen Blick. Das verstanden sie, natürlich. Iwan ist da ganz anders, dachte Olly bei sich, der Papa war von seinen Offizierstugenden sogar sehr angetan.
    »Und wer ist derjenige, der dir gefallen könnte?« Mit ihrer rechten Hand schlug Olly nach einer Schnake – der einzige Nachteil, den ihr Lieblingsplatz hatte, waren die vielen Blutsauger, die sie allabendlich quälten.
    »Ihr werdet ihn schon bald kennenlernen«, sagte Mary geheimnisvoll.
    »Was meint ihr – werden wir je einen schöneren Sommer verbringen?«, fragte Olly, als sie später am Abend zu dritt unter die kühlen Laken krochen. Seit der Abreise ihrer Betreuerinnen hatten sie es sich angewöhnt, in einem Zimmer und in einem Bett zu schlafen, und so ging das Getuschel, Gekicher und Gemurmel manchmal bis weit nach Mitternacht.
    »Schöner als jetzt kann’s kaum werden«, seufzte Adini. »Schaut nur,sogar der Mond lächelt uns zu!« Sie zeigte auf den pausbackigen Vollmond, der von einem wolkenlosen hellgrauen Himmel direkt in ihr Zimmer schien.
    Mary nahm Ollys und Adinis Hand, und zu dritt bildeten sie einen Kreis. »Sprecht mir nach: Niemals in unserem ganzen Leben werden wir diesen Sommer vergessen!«
    Und mit diesem Schwur schliefen die drei Schwestern endlich ein.

12. KAPITEL
    A ls Olly am Morgen des sechsten August aus dem Fenster schaute und eine strahlende Sonne vom Himmel blitzen sah, war ihr erster Gedanke: Ist das nicht typisch? An Marys Geburtstag muss die Sonne scheinen, kein Regen, keine düstere Wolke, nicht für sie. Ohne viel Aufhebens zog sich Olly allein an: Unterwäsche, Unterkleid, darüber ein hellblaues einfaches Sommerkleid, ein dünnes Tuch über die Schultern – mehr Aufwand lohnte sich jetzt nicht. Am Mittag würde ihre Zofe noch genug Arbeit mit ihr haben.
    Nur die zweihundert Bürstenstriche für ihr Haar, die gönnte sie sich. Erst über den Kopf, dann gegen den Strich, und am Ende ließ Olly die Bürste der Länge nach durch ihre Haare gleiten, bis sie jeden vom nächtlichen Schlaf verursachten Knick, jedes gewellte Härchen glattgezogen hatte.
    Zufrieden betrachtete sie ihr Werk im Spiegel. Ihre Haarpracht war zwar nicht so spektakulär wie die ihrer Freundin Maria, deren Haar ihr, wenn es offen war, glatt und schwer bis übers Knie ging. Aber immerhin reichte ihr eigenes auch bis zur Hüfte und glänzte wie goldfarbener Taft.
    Rasch begann Olly, einen Zopf zu flechten und diesen mit wenigen Nadeln am Hinterkopf festzustecken. Sie konnte es kaum erwarten, bis sich die Friseurin, die man anlässlich von Marys Geburtstag extra aus St. Petersburg nach Peterhof hatte kommen lassen, heute Mittag ans Werk machte.
    Einweiterer Blick aus dem Fenster überzeugte Olly davon, dass es das Wetter wirklich ernst meinte mit seinen guten Absichten – auch im Westen, von wo die meisten Wetterfronten heranzogen, war kein Wölkchen zu sehen. Ein leichter Wind wehte vom Meer herüber, sanft und süß erzählte er vom nahenden Herbst.
    Leichtfüßig sprang Olly die Treppe hinab. Sie hatte dem Gärtner wegen der weißen Lilien zwar schon gestern Bescheid gesagt, aber zur Sicherheit wollte sie ihn nochmals daran

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