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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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erinnern, einen Boten mit den Blumen zum Haus der Bariatinskis zu schicken.
    Eine sanfte Brise streichelte Olly, als sie vor die Haustür trat. Maria und sie geschmückt mit den weißen Blüten im Haar – was wohl Iwan zu diesem Anblick sagen würde?
    Die Vorbereitungen für Marys »russisches« Geburtstagsfest waren längst in vollem Gange, als Olly mit Grand Folie zu einem Spaziergang aufbrach. Im oberen Park wurden ein Karussell sowie Schiffschaukeln aufgebaut, dazu Wurfbuden mit bunten Bällen. In einer Ecke des Gartens war schon vor Tagen eine Freilichtbühne gezimmert worden, hier würde es später Auftritte von Trachtengruppen geben, Tänze, Gesang, vielleicht auch kleine Theaterstücke. Auf allen Wegen würden Losverkäuferinnen unterwegs sein. Jedes Los sollte ein Gewinn sein, und das Geld, das die Lose einbrachten, käme einem Kinderheim zugute, hatte Mary beschlossen. Zu gewinnen gab es russische Handarbeiten: Silberdosen aus Tula, kleine geflochtene Körbchen, Haarspangen und Tabaksdosen aus sibirischer Birkenrinde, Handschmeichler aus Bernstein – und wehe, es fand sich ein Gegenstand darunter, der nicht von russischen Händen geschaffen worden war! Mary war in ihren Anweisungen sehr strikt gewesen.
    Auf der Terrasse vor dem Palast standen Dutzende von Tischen, so dass die Gäste hier später am Tag speisen und gleichzeitig den Blick aufs Meer genießen konnten. Bisher waren lediglich Tischdecken aus feinstem Leinen aufgelegt, die silbernen Schalen und Vasen waren noch leer und Stühle fehlten ebenfalls.
    Hofmarschall Malikow, der eigens aus der Stadt angereist war, umdie Festlichkeit zu organisieren, versicherte Olly im Vorbeigehen, dass bis zur Ankunft der Gäste alles mit üppigstem Blumenschmuck und exotischen Früchten dekoriert sein würde.
    Gutgelaunt und voller Vorfreude auf das Fest spazierte Olly in Richtung der Orangerie. Sie wusste, dass dies einer von Saschas Lieblingsorten war, und hoffte, den Bruder dort anzutreffen.
    Er war erst am Vorabend von seiner Reise zurückgekehrt. »So viele Erkundungen wie ich haben Humboldt und Kolumbus zusammen nicht getätigt«, hatte er bei seiner Ankunft gesagt. Nun war er froh, wenigstens für kurze Zeit die Unbeschwertheit des Peter hofer Sommers genießen zu dürfen.
    Olly hoffte auf ein ungestörtes Gespräch. Vielleicht – wenn sie es geschickt anstellte – konnte sie ihm ein paar Worte über Iwan entlocken.
    Schon vor der Orangerie begann Grand Folie freudig zu bellen, dann raste er zwischen den Ananasstauden, Zitronen- und Orangenbäumen davon.
    Sascha saß tatsächlich in einem der Korbsessel, den Blick aufs Meer gewandt. Olly schmunzelte – die Geschwister kannten sich und ihre Gepflogenheiten wirklich gut. Geistesabwesend streichelte Sascha das Hündchen, ohne sich nach seiner Besitzerin umzudrehen.
    Einen Moment lang zögerte Olly, ob sie ihn stören sollte. Solche Momente der Ruhe und inneren Einkehr waren selten und daher kostbar für sie alle. Meist wuselten Hofdamen, Kammerdiener und anderes Personal um die Zarenkinder herum. Doch als Olly näher kam, stellte sie fest, dass ihr Bruder sehr unglücklich aussah. Sie setzte sich neben ihn und wartete ab. Stumm nahm er ihre Hand.
    Einen langen Moment schauten sie hinaus aufs Meer, das fast so still wie ein See dalag. Der Anlegesteg, an dem später am Tag ein Teil der Gäste mit Booten ankommen würde, glänzte matt im Sonnenlicht. Ein paar Möwen fischten in der tiefstehenden Sonne und krächzten wütend, wenn ihr Bemühen nicht erfolgreich war.
    »Hier ist es so friedlich und still. Als ob es nichts anderes gäbe. Am liebsten würde ich für immer hierbleiben«, sagte Sascha plötzlich.
    Ollylachte. »Du hörst dich schon an wie Mary. Bei der soll auch immer alles bleiben, wie es ist. Bloß keine Veränderungen! Und aus ihrem geliebten Russland will sie auch nicht weg, nicht einmal die Mama hat sie zur Kur begleiten wollen.«
    »Mary und ihre vermeintliche Vaterlandsliebe«, sagte Sascha sarkastisch. »Das hier …« – er zeigte auf die Bäume in der Orangerie und die Körbe voller Ananas, Mangos und anderer Früchte, die für die Tischdekorationen gepflückt worden waren und zum Abtransport bereitstanden – »… ist doch nicht Russland!« Er trat mit seinem Fuß gegen einen Korb voller Ananas, so dass dieser polternd umfiel. Grand Folie, der es sich daneben gemütlich gemacht hatte, rannte jaulend davon.
    »Sascha! Was ist denn in dich gefahren?«
    »Ich kann dieses ganze aufgesetzte

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