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Die Zarentochter

Die Zarentochter

Titel: Die Zarentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Leute schreiben doch nicht, um Vater das Leben schwerzumachen. Sie riskieren ihre Freiheit, manche gar ihr Leben, um auf unhaltbare Zustände in unserem Land aufmerksam zu machen, um uns die Augen zu öffnen! Etwas, was Marys Fest heute gewiss nicht tun wird.«
    Olly rutschte näher an den Bruder heran, legte einen Arm um seine Schulter und rüttelte ihn. »Jetzt sei nicht so streng mit uns, sonst verdirbst du mir noch die gute Laune. Ein Fest ist ein Fest, nicht mehr und nicht weniger. Und was all diese Missstände angeht … vielleicht gibt es wirklich das eine oder andere, was du später anders machen kannst als Vater.« Sie brachte es nicht übers Herz, »besser« zu sagen. Wie um alles in der Welt sollte sie jetzt noch das Gespräch auf Iwan bringen, fragte sie sich stumm. Dabei hätte sie so gern gehört, wie es ihm auf der Reise ergangen war.
    »Einsist mir jetzt schon klar: Man kann Russland nicht in ein riesiges Heerlager verwandeln. Vater sähe es am liebsten, wenn wir all die verschiedenen Völker wie Bataillone und Schwadronen aufstellen und exerzieren ließen. Aber damit liegt er völlig falsch. Das soldatische Marschieren kann er vielleicht auf dem St. Petersburger Marsfeld mit seiner Garde exerzieren, aber nicht in den Weiten Russlands.« Sascha stand auf und begann, wie ein eingesperrter Tiger hin und her zu laufen. »Alles muss immer nur nach seinem Kopf gehen. Wenn ich nur an diese Brautschau denke, die er für mich geplant hat! Durch halb Europa will er mich schicken, und wehe, ich finde nicht die perfekte Frau. Ich frage mich, warum er nicht gleich selbst loszieht und mir eine aussucht.«
    Unwillkürlich musste Olly lachen – Saschas Aufbegehren hatte fast etwas Komisches.
    »Mir scheint es, dir kann man es derzeit nicht recht machen«, sagte sie und stand auf. Schlagartig war auch Grand Folie, der unter einer Palme gedöst hatte, wieder wach. »Bestimmt wirst du viel Spaß auf deiner Reise haben, alle jungen Frauen werden dich umschwärmen und umgarnen. Du wirst die Qual der Wahl haben, um die Richtige herauszupicken. Und diese eine besitzt eine gute Seele und ein großes Herz, auch für die Armen und Kranken Russlands. Wer weiß, am Ende verliebst du dich noch ganz schrecklich in sie?«, fügte sie hinzu und kam sich sehr erwachsen dabei vor. Ha, wenn das Anna gehört hätte, sie wäre stolz auf sie. Olly sonnte sich so sehr im wohligen Gefühl, einen guten Rat gegeben zu haben, dass sie zunächst gar nicht bemerkte, wie entgeistert Sascha sie anschaute.
    »Die Richtige! Was wäre denn, wenn ich die längst gefunden habe?«, entgegnete er und lief davon.
    *
    Als der berittene Bote beim Landgut der Bariatinskis eintraf, waren Maria, ihre Schwester Léonile, Iwan und ihre Mutter beim Mittagessen.
    »Das sind bestimmt die Blumen, die Olly mir als Haarschmuck fürheute Abend schickt.« Freudig sprang Maria auf. Doch kurz
    dar auf kam sie stirnrunzelnd zurück.
    »Es ist ein Gesandter des Zaren, er will zu dir, Iwan.«
    Sie hörten die Männer vor dem Fenster sprechen. Iwan wies den Boten an, sein Pferd abzusatteln und in den Stall zu führen. Maria und ihre Mutter schauten sich an – was hatte das zu bedeuten?
    Mit einem wichtig aussehenden Bogen Papier in der Hand kam Iwan wieder herein. »Ich bin befördert worden«, sagte er verwundert.
    »Iwanschi! Das ist doch wunderbar!« Seine Mutter umarmte ihn. »Zeig her, welches berühmte Bataillon sollst du zukünftig befeh ligen? Oder gehörst du fortan sogar der Leibgarde des Zaren an?« Sowohl sie als auch Léonile bekamen bei diesem Gedanken einen ganz andächtigen Blick. »Das hast du schon lange verdient.«
    Es war Maria, die ihrem Bruder die Depesche aus der Hand riss. »Ein Einberufungsbefehl. Du sollst in den Kaukasus? Als Oberbefehlshaber der russischen Truppen …« Bevor sie wusste, was sie tat, bekreuzigte sie sich.
    »Eine große Ehre«, sagte Iwan tonlos. »Und eine große Aufgabe. Nikolaus würde sie nicht jedem zutrauen.« Er schaute die drei Frauen an. »Ich muss heute schon los, der Bote wird mich nach Moskau begleiten, dort werde ich weitere Instruktionen bekommen.«
    »Heute? Aber heute ist Marys Geburtstagsfest«, sagte Maria, während ihr Tränen in die Augen schossen. »Darauf hast du dich doch so gefreut. Und ich mich auch …«
    »Du bist doch gestern erst zurückgekommen«, schluchzte auch Léonile.
    »In den Kaukasus? Aber Iwanschi, dort herrscht Krieg! Und der Winter kommt … Ist das alles nicht sehr gefährlich?«
    Die

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