Die Zarentochter
in ein Gespräch mit einem Herrn verwickelt, Maria unterhielt sich angeregt mit Tante Helene, Sascha war nirgendwo zu sehen …
Bei dem Gedanken an ihren Bruder verdüsterte sich Ollys Miene noch mehr. Wehe, wenn sie ihn in die Finger bekam! Zuerst hatte er ihr nichts über Iwans Versetzungsbefehl gesagt, und nun musste sie sich auch noch um seinen »guten Freund« Max kümmern.
»Und dann die Malerarbeiten! Liebste Olga, ich kann Ihnen sagen …«
Olly hätte vor Ungeduld am liebsten laut aufgeschrien. War es eigentlich immer so, dass einen auf einem Fest gerade jene Herren als Erstes ansprachen, denen man selbst am wenigsten zugeneigt war? Oder hatte nur sie dieses Pech?
Iwan hätte sie von Herzen gern zugehört, er hätte sie keinen Moment gelangweilt, dachte Olly bei sich, während der bayerische Prinz von Pilastern und Marmorvertäfelungen schwärmte.
Iwan … Wie es ihm wohl gerade erging? Warum hatte er ihr keine Nachricht hinterlassen? Er hätte sie Maria mitgeben können. Nach Auskunft der Freundin war sein Aufbruch allerdings sehr überstürzt gewesen, der Gesandte des Zaren drängte sehr. Irgendetwas stimmte hier nicht, das hatte Olly im Gefühl. Doch bevor sie weiter über alles nachdenken konnte, hüstelte es neben ihr.
»Wissen Sie, verehrte Großfürstin, dass Sie mich auf faszinierende Artan die Abbildung einer Frau auf einer Freske in meinem Schloss erinnern? Der gleiche schlanke Wuchs, die seelenvollen Augen, der schwanenhafte Hals – ganz famos! Fast möchte ich glauben, in Ihren Adern flösse heimlich bayerisches Blut«, sagte er und schaute sie dabei ganz verträumt an. »Ob das wohl das Zeichen einer höheren Himmelsmacht ist, die uns zwei zusammenführen will?«
Olly war sprachlos. Bayerisches Blut in den Adern einer russischen Großfürstin? Für Max mochte dies das höchste aller Komplimente sein, ihr ging es jedoch absolut zu weit!
»Wenn Sie mich entschuldigen …« Sie drückte ihrem Gegenüber den Korb in die Hand, dann lief sie davon.
»Kann es etwa sein, dass meine Nichte mit dem bayerischen Kronprinzen schäkert?« Mit schräggelegtem Kopf lugte Großfürstin Helene zu dem Paar hinüber. »So viel Koketterie hätte ich Olly gar nicht zugetraut.«
Maria Bariatinski lachte gezwungen. »Bestimmt will sie nur dafür sorgen, dass sich jeder Gast gut unterhält.« Olly und kokett – wie kam die Großfürstin denn darauf? Die Miene der Freundin drückte eher eine Mischung aus Langeweile und Unwohlsein aus.
»Das will ich hoffen!« Helene winkte Maria näher zu sich heran. »Unter uns gesagt, ich habe Max von Bayern für Mary auf die Gästeliste gesetzt, heimlich, als sie mit ihrer Liste fertig war.« Die Gattin des Großfürsten Michael lächelte verschmitzt. »Als sich die beiden in Berlin kennenlernten, waren sie sich nicht unsympathisch, aber glauben Sie, dass einer von ihnen einen nächsten Schritt gewagt hätte? So viel Schüchternheit! Da dachte ich mir, ich werde ihrem Glück ein wenig auf die Sprünge helfen. Eine wunderbare Verbindung wäre das. Von daher will ich jetzt nicht miterleben, dass die jüngere Schwester der älteren einen Heiratskandidaten einfach vor der Nase wegschnappt. Für Olly habe ich längst jemand anderen im Sinn.« Helenes Mund verzog sich zu einem missbilligenden O, das von tausend Runzeln umkränzt wurde. »So schauen Sie nur, was macht das Mädchen denn jetzt?«
Maria schmunzelte. »Es sieht so aus, als gibt Olly Max von Bay erneinen Korb. Ihre Sorgen waren also völlig unbegründet, verehrte Großfürstin«, sagte sie, während Olly so hastig auf sie zugesprungen kam, dass sich mehrere Lilienblüten aus ihrer Frisur lösten.
»Keine Minute länger hätte ich mir die langweiligen Reden dieses ›Max Famos‹ anhören wollen! Einen derart von sich eingenommenen Menschen habe ich selten erlebt.«
»Deine Tante hat mich auch ziemlich in Beschlag genommen«, sagte Maria. »Ach, wenn nur Iwan hier wäre, er hätte uns aus jeder Notlage gerettet.«
Die Freundinnen seufzten abgrundtief. Sie saßen auf einem kleinen Mauervorsprung am Ende der Sonnenterrasse, eine jede ba lancierte einen Teller mit Häppchen auf dem Knie, eine Flasche Champagner und zwei Gläser standen zwischen ihnen. Die silbrig schimmernde Ostsee schien vor ihren Augen mit dem Horizont zu verschmelzen.
Das viele Parlieren und Umherwandern hatte die Gäste hungrig gemacht, und nun widmeten sich alle den Platten mit Pelmeni – kleinen gefüllten Teigtaschen –, den herrlich
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