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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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und geteilter Sorgen. Die Naschhaftigkeit der guten alten Anjetschka. Panis eiternde Augen.
    Und dann dieser Bolik! Wieso ist der undankbare Schlingel
davongelaufen? Und ausgerechnet jetzt! Es wäre doch so tröstlich für das liebe Kind, wenn es ihn um sich hätte. Stimmt es, dass man ihn immer wieder gesehen hat? Bei den Admiralitätsgebäuden? Und dass Bolik jedes Mal wieder entwischt ist? Oder war es vielleicht gar nicht Bolik?
    Er war doch so ein süßes Hundebaby. So neugierig und gleichzeitig so ängstlich. Fürchtete sich vor Scheuerlappen und Zinkeimern. Irgendein Küchenmädchen muss ihn zu Tode erschreckt haben, wenn er einfach so fortgelaufen ist.
    Endlich ist der letzte Rest Torte mit der Gabelkante weggekratzt worden. Der Teller steht wieder auf dem Serviertisch, ein drittes Stück ist nachdrücklich abgelehnt worden.
    Â»Noch etwas zum Schluss, meine Liebe«, sagt Katharina. Im Wandspiegel erstarrt die korpulente Gestalt ihrer Schwiegertochter.
    Bei Maria hat es keinen Zweck, sich auf Winke und Andeutungen zu verlassen. Ihre Schwiegertochter ist eigentlich nicht dumm, aber sie muss vor langer Zeit einmal beschlossen haben, niemals Vermutungen anzustellen, ganz gleich, wie offensichtlich die Andeutungen sein mögen, und diese Entscheidung hat ihr gute Dienste geleistet.
    Wenn sie ihrer Schwiegertochter doch einfach befehlen könnte, ihren Sohn dem Ehemann vorzuziehen! Doch das geht nicht. Sie muss ihr Anliegen begründen. Und so schluckt sie ihren Stolz hinunter und redet mit ihr, als würde sie Besborodko ihre Strategie erläutern.
    Â»Mein Sohn ist bedauerlicherweise nicht geeignet, Russland zu regieren. Das weißt du genauso gut wie ich.«
    Was in Gatschina passiere, sei der beste Beleg dafür, fährt sie fort. Paul sei unberechenbar, leicht zu beeinflussen, verantwortungslos. Er glaube an Herrschaft durch Angst. Er wünsche sich blinden Gehorsam um jeden Preis. Kritisiere sie, seine Mutter und Kaiserin, weil sie den Kniefall vor der Herrscherin abgeschafft habe.
    Er werde Russland in eine Art militärischer Garnison verwandeln, ähnlich wie Gatschina.
    Maria senkt den Blick, ihr einziger Schutz.
    Â»Es ist unnötig, noch mehr Gründe anzuführen«, fährt Katharina in strengem Ton fort. »Sie sind zu schmerzlich für alle Beteiligten.«
    Maria ballt die Hände.
    Â»Alexander wird mir nachfolgen, wenn ich gestorben bin«, sagt Katharina. »Aber ich möchte es schon bald verkünden. Er muss lernen, Verantwortung zu übernehmen, muss sich auf den Thron vorbereiten. Es wird nicht leicht für ihn sein. Es ist für niemanden leicht. Und deshalb braucht er unsere Unterstützung in diesem schwierigen Moment.«
    Sie hält inne und wartet, dass ihre Schwiegertochter sie anblickt, aber Maria hält den Kopf gesenkt. Sie atmet heftig, weint aber nicht, was ein gutes Zeichen ist.
    Katharina setzt ihre Erklärungen fort. »Alexander quält sich mit Schuldgefühlen. Er möchte seinen Vater nicht verletzen.«
    Noch eine Pause, die letzte vor dem endgültigen Schlag.
    Â»Alexander, meine liebe Maria, braucht die Unterstützung seiner geliebten Mutter. Er muss wissen, dass seine Mutter auf seiner Seite stehen wird. Er muss seinen Vater auf das, was kommt, vorbereiten. Dessen Enttäuschung abmildern. Seinem Vater begreiflich machen, dass nichts, was ihm wirklich wichtig ist, sich ändern wird. Dass er seine Truppen in Gatschina weiter so führen kann, wie es ihm beliebt. Dass er in Gatschina so herrschen kann, wie er es seit jeher tut.«
    Sie hält den Brief in der Hand. Ein schlichter, aber von Herzen kommender Brief einer Mutter, die ihrem Sohn versichert, sie verstehe, dass er gezwungen sei, die Last der Macht zum Wohle Russlands auf sich zu nehmen. Dafür gebe sie ihm ihren Segen und werde für ihn beten.
    Â»Bitte, meine liebe Maria«, sagt sie. »Lies ihn. Sprich mit
mir, wenn du möchtest, dass etwas geändert werden soll. Und wenn du meinem Urteil vertraust, dann kopiere ihn in deiner Handschrift und unterzeichne ihn. Bring ihn zu mir, und ich werde ihn in meiner Privatschatulle einschließen. Ich werde ihn Alexander persönlich übergeben.«
    Sie sagt: Wenn die Zeit gekommen ist. Sie sagt: Ein Geheimnis zwischen uns beiden, noch. Mein absolutes Vertrauen in dich. Unsere gemeinsame Liebe zu unserem Prinzen.
    Maria nimmt den Brief entgegen, als wäre es eine

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