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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Porzellantasse aus Sèvres, so zart und dünn, dass sie zerbrechen würde, wenn sie die Hand darum schließt. Überfliegt die Sätze rasch, bewegt die Lippen wie im Gebet.
    Ist nicht genug gesagt worden? Was möchte diese dumme Frau noch hören?
    Â»Alexander braucht Worte in der Handschrift seiner Mutter, die er lesen kann, wenn Zweifel ihn befallen. Worte seiner Mutter, die er liebt und deren Urteil er vertraut. Seiner Mutter, die, wenn seine Großmutter gestorben ist, von allen kaiserlichen Gattinnen und Töchtern aufgesucht und um Rat und Unterstützung gebeten werden wird.«
    Maria hebt den Kopf.
    Doch Katharina hat nicht Besborodkos gerissene, kompetente Augen vor sich. Stattdessen starren sie zwei tiefe blaue Seen blanken Entsetzens an.
    *
    Â»Dann hat Großfürst Paul den schwedischen König gefragt, ob er ihm zustimmt, dass Pawlowsk nur ein Schatten von Gatschina ist«, sagt Anjetschka und schüttelt den Kopf. »In Anwesenheit von Maria Fjodorowna!«
    Das ist Pauls Vorstellung von Diplomatie: Er fordert den angehenden Schwiegersohn dazu auf, Maria Fjodorownas ganzen Stolz niederzumachen.
    Â»Und hat er das?«
    Â»Er sagte, beide seien gleich schön.«
    Anjetschka lacht. Sie hat drei Halstücher zusammengeflochten und sich um den Kopf gewickelt. Blau, rot und gelb. Die Farbkombination hat etwas Mädchenhaftes, Fröhliches. Sieht sogar ziemlich attraktiv aus, selbst bei der pausbäckigen Anjetschka mit ihrer behaarten Oberlippe.
    Aufgefordert, Platz zu nehmen, setzt Anjetschka sich auf die Ottomane. Lässt ihren korpulenten Körper in die bestickten Kissen sinken, von denen jedes mit einem Vogel geschmückt ist. Ihr molliger Ellbogen steckt direkt im Schnabel eines großen blauen Papageis.
    Anjetschka hat Neuigkeiten aus Gatschina gebracht.
    Sie hat sie von einer jungen Hofdame aus Maria Fjodorownas Entourage. Dem neuesten von Anjetschkas vielen Schützlingen, entdeckt auf irgendeinem Landgut in der Provinz und mit Versprechungen kaiserlicher Gunst sowie eines Ehemanns nach Sankt Petersburg gelockt. Von daher handelt es sich natürlich um Klatsch, aber es wäre unklug, ihn zu ignorieren. Anjetschka hat etwas an sich, das zum Herzausschütten verführt. Die Frauen kommen zu ihr. Mit gebrochenen Herzen, leeren Taschen, einem beunruhigenden Traum. Selbst Maria Fjodorowna hat schon ihren Rat gesucht. Es ging um Nichtigkeiten, aber immerhin.
    Â»Der schwedische Besuch«, fährt Anjetschka fort, »ist ziemlich gut verlaufen, wenn man bedenkt.«
    Was bedenkt, Anjetschka?
    Anjetschka runzelt die Stirn. Jetzt wird sie nachdenklich, überlegt, wie sie das, was sie gehört hat, frei von eigenen Mutmaßungen wiedergeben kann. Nur die Fakten. Nicht was vielleicht oder möglicherweise geschehen ist, sondern was man selbst gesehen oder gehört hat. Alte Lektionen, die nur die besten Spione beherzigen.
    Die Linzer Torte mag Maria Fjodorowna ja in guter Erinne
rung haben, aber nach ihrer Rückkehr hat es in Gatschina beträchtliche Unannehmlichkeiten gegeben. Aufgrund von Marias ausweichenden Antworten auf die Fragen ihres Gatten.
    Welche Fragen genau, Anjetschka?, denkt Katharina, unterbricht aber nicht, da es nur noch länger dauern würde, bis sie zum Wichtigsten käme. Anjetschka ist nicht für ihre Genauigkeit bekannt, sondern für ihren sechsten Sinn, der sie hören lässt, was andere nicht hören.
    Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, wollte Paul erfahren, worüber seine Frau mit Maman gesprochen hatte.
    Anscheinend ist jeder am Hof in der Lage, Pauls Stimme zu imitieren: Sie ist hoch und schrill, und die Sätze werden mit einer gehörigen Portion Gereiztheit geäußert. Anjetschkas Imitation von Pauls Befragung seiner Frau ist beinahe unheimlich:
    Ihr zwei habt über Alexandrine gesprochen?
    Und über Katja Daschkowa, die gebeten wird, sie zu begleiten. Wenn wir einverstanden sind.
    Hat sie dich denn gefragt, ob wir einverstanden sind?
    Ja.
    Ach! Und warum siehst du mir dann nicht in die Augen?
    Â 
    Es wäre auch noch weitergegangen, verkündet Anjetschka, und ihr mächtiger Busen hebt sich. Aber dann seien die Gäste erschienen.
    Kurz vor Mittag. Sieben Kutschen. Der schwedische König, der Regent, der schwedische Gesandte, einige Granden. Keine Damen, was die Situation für Maria Fjodorowna schwierig machte.
    Es wurde dann sehr viel über Militärisches geredet: Pauls

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