Die Zarin der Nacht
nicht kämpfen?«, fragt er. » Ihn lässt du immer tun, was er möchte.«
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Ihn, Grischenka.
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Siehst du das denn nicht?
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Als er geht, presst sie den Kopf auf die warme Stelle, feucht und muffig, zwischen den Laken, wo er gelegen hat. Die jetzt leer ist, abkühlt, erstarrt, weil er fort ist.
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3.32 Uhr
»Platon Alexandrowitsch wartet drauÃen. Soll ich ihn hereinlassen?«
»Lass ihn warten«, murmelt Anjetschka. »Was kann er jetzt noch nützen?«
Anjetschkas Gemurmel hat einen dunklen Unterton von Schadenfreude. Der Freude, die vormals Mächtigen stürzen zu sehen.
Platons Gesicht ist grau und eingefallen. Er sinkt auf ihr Bett, auf dessen äuÃersten Rand, auf den Knien. Seine Nase muss geblutet haben, denn auf seiner Oberlippe hat er einen roten Fleck aus getrocknetem Blut.
Und doch ist ihm, selbst in seiner Verzweiflung, die patrizische Vornehmheit, die Eleganz des Auftretens, nicht abhandengekommen. Die römische Nase, die makellose Haut, die wie aus feinstem Carraramarmor geschnitten scheint.
Ihr glattgesichtiger Platon weiÃ, was man über ihn sagt.
Angst hat sich in seinen Augen, in seinen gefalteten Händen eingenistet. Angst und Trauer über das, was er verloren hat.
Für sie ist er der AusgestoÃene. Aus dem Palast auf die leeren StraÃen geworfen, wo Beute suchende Ratten an den Mauern entlanghuschen. Der an Häusern vorbeiläuft, die nachts verschlossen sind und deren Fundamente bröseln.
Die Stadt Peters des GroÃen ist auf schwankenden Holzpfählen errichtet worden, die in die Sümpfe gehämmert wurden. Wenn man nicht ständig nachbessert, wird sie einstürzen, wieder im Schlamm versinken.
»Vergib mir, Katinka«, schluchzt Platon. »Ich habe versagt, aber bitte, vergib mir.«
Kerzenlicht fällt auf sein schönes Gesicht.
Er wirft einen Schatten, deshalb ist er real.
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8.15 Uhr
Grenzen verschwimmen, verschwinden oder tauchen dort auf, wo es sie noch nie gab.
Ihr Herz schlägt wie eine riesige Glocke.
Anjetschka starrt sie nur entsetzt an. Wischka, stets die Praktische, die ungern auch nur ein Fitzelchen Zeit vergeudet, glättet die Rüschen an ihren Kissen.
Ist sie noch in Zarskoje Selo, auf ihrer grünen Ottomane? In der Galerie mit Blick auf die hängenden Gärten?
Sie hört jemanden singen, auf Deutsch.
Ach du lieber Augustin, Augustin â¦
Sie kann nicht singen.
Noten ergeben für ihre Ohren keinen Sinn. »Es ist, als würde man mit Kreide auf Glas kratzen«, sagt Grischenka, um ihr zu beschreiben, wie sich ein falscher Ton anhört. »Wie kannst du das nicht hören?«
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Ich weià es nicht.
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»Auch du bist am Ende also nicht vollkommen«, sagt Peter höhnisch.
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Der Gesang wird schwächer, und jetzt klacken ihre Absätze über die Marmorböden. Jeder Schritt fällt ihr leicht, ist kraftvoll, frei von Schmerz.
Spiegel bedecken vom Boden bis zur Decke die Wände der Korridore des Winterpalasts und schimmern im reflektierten Licht wie glänzende Schilde. Auf diese Weise versuchte Kaiserin Elisabeth einst den Tod fernzuhalten. Doch in Russland ist der Tod eine listige alte Frau, die sich nicht verscheuchen lässt.
»Sei nicht so hochnäsig, Katharina«, sagt die alte Kaiserin zu ihr. »Sie wird auch dich holen.«
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Ist das Leben ein Glücksspiel? Oder ein Schachspiel, in dem einzelne Züge vorhersehbar sind, die Hand des Gegners sich manipulieren lässt? Antworte mir!
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»Du hast dich für sie statt für mich entschieden, Sophie.« Mamans Stimme klingt wie ausgewrungen vor Bitterkeit. »Das werde ich dir nie verzeihen.«
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Es gibt keine Sophie, Maman. Ruh in Frieden.
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Palastspione sind überall. Der Ofenheizer trödelt auffällig lange beim Anzünden. Die Dienstmagd, die den Nachttopf wegträgt, hat an der Schublade vom Sekretär herumgefummelt. Jedes Buch, das sie liest, ist durchgeblättert worden. Maman schwört auf Koffer mit doppeltem Boden. »Siehst du, es ist noch da«, sagt sie triumphierend, wenn das Haar, das sie um das Schloss gedreht hat, unberührt ist.
Die Spione lauern in den Dienstbotenfluren, spähen durch die Risse in den Wänden. Manchmal schlafen sie ein, dann kann sie sie schnarchen hören.
Russen mögen keine Ausländer.
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Man hat sie gewarnt.
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Das Leben ist ein Spiel.
In einem
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