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Die Zarin der Nacht

Die Zarin der Nacht

Titel: Die Zarin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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Duft von Parfüm und schmelzendem Wachs. Er wird noch Stunden nach dem Maskenball in ihren Haaren und Kleidern hängen.
    Im schützenden Dämmerlicht des Saals hat ihre Verkleidung die Gäste getäuscht. Einige Frauen haben schon verstohlene Blicke in ihre Richtung geworfen und mit ihren Fächern Interesse signalisiert. »Komm näher«, hat eine ihr zugewinkt. »Kenne ich dich?«, signalisiert eine andere.
    Für diese Frauen ist sie nur einer jener schneidigen jungen Gardeoffiziere auf Beutezug.
    Eine Zeitlang beobachtet sie die tanzenden Frauen, ihre an
mutigen Bewegungen, die Verneigungen, die Sprünge und die schnellen Halbdrehungen. Absätze klackern auf dem gebohnerten Holzboden, und die Tanzenden gehorchen der Musik. Gestalten, die miteinander verschwimmen, vorübergleiten, erst voneinander zu unterscheiden sind, als eine von ihnen stehen bleibt und, vor Anstrengung keuchend, den Kreis verlässt. Der Kranz in ihrem rabenschwarzen Haar ist mit Vögeln und Früchten und Pfauenfedern gespickt. Perlen funkeln auf ihrer silbernen Maske. Sie ist viel zu schmal, um die wilden Tatarenaugen von Fürstin D. zu verbergen.
    Das Verlangen kommt unverhofft.
    Â 
    Soll ich zu dir gehen? Dich fragen: Bist du eine Schäferin oder eine Nymphe?
    Das werde ich nicht. Du würdest es nur für abgedroschen halten.
    Stattdessen werde ich dich so lange beobachten, bis du mich wahrnimmst.
    Â 
    Aber D. nimmt keine Notiz von dem sie anstarrenden maskierten Offizier. Ihr Blick gilt einer türkischen Odaliske, die allein tanzt. Ein Gesicht, das hinter einem Schleier verborgen ist, biegsame Hüften, die zum Klingeln winziger Silberglöckchen schwingen.
    Â»Ach, wie anmutig sie ist«, seufzt D.
    Â»Die Lobende ist sehr viel anmutiger als die Gelobte.«
    D. blickt sie verblüfft an. Ihre Augen streifen kurz das Preobraschenski-Grün unter dem Domino-Umhang. »Sie belieben zu scherzen, Maske. Wer sind Sie? Ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen. Wieso kennen Sie mich dann?«
    Â»Aus mir spricht mein Herz, ich folge dem, was es mir souffliert.«
    Â»Aber wer sind Sie?«
    Â»Wenn Sie nett zu mir sind, werden Sie es bald erfahren.«
    Â»Bitte sagen Sie mir, wer Sie sind.«
    Â»Das werde ich, aber erst müssen Sie versprechen, nett zu einer betörten Seele zu sein.«
    Das sind kühne Worte. Unverfrorene Worte. Die allzu viel unterstellen. Wer solche Worte äußert, sollte gezüchtigt werden.
    D. zögert. Ihr Fächer umtanzt ihre vollen Lippen.
    Nur geschmeichelt? Schon interessiert?
    Doch in diesem Moment nähern sich drei Schäferinnen. »Da bist du ja«, sagen sie zu der Fürstin mit den Tatarenaugen und fassen sie bei der Hand. »Komm mit uns, schnell!«
    Ein bedauernder Blick, ein Lächeln, ein Rascheln von Röcken, und D. ist fort.
    Ein vergeudeter Augenblick?
    Der Platz für einen anderen macht?
    Doch als sie sich auf einen freien Stuhl an der Wand setzt, kommt die Fürstin zurück. Sie hat ihre Gefährtinnen stehen gelassen. Und sie hat den betörten »Kavalier« nicht vergessen. So leicht lässt man sich jemanden, der so kühn seine Bewunderung äußert, nicht entgehen.
    Ihre Augen begegnen sich, gefolgt von einem winkenden Zittern des Fächers. Noch kein eindeutiges Zeichen, aber genug Ermutigung, um das Spiel wieder aufzunehmen.
    Jetzt!
    Sie steht auf, begibt sich zu den Tanzenden und achtet dabei darauf, dass sie den Tatarenaugen nicht zu nahe kommt. Als ein fragender Blick sie trifft, tut sie so, als sähe sie ihn nicht. Aber als D. den Ballsaal verlässt, folgt sie ihr. Vorbei an den Wachen in Habachtstellung. Vorbei an dem Tisch mit den Erfrischungen, wo D. sich ein Stück Ananas nimmt und es so gierig isst, dass ihr der Saft übers Kinn läuft.
    Zurück in den Ballsaal.
    Â 
    Du bist stehen geblieben. Du wartest auf mich, aber ich werde dir nicht zu nahe kommen.
    Â 
    Jetzt ist es die Fürstin, die sich nicht zurückhalten kann. Sie manövriert sich immer mehr in ihre Nähe, bis sie wie durch Zufall plötzlich nebeneinander stehen.
    Sie schweigt, bis D. sich ihr schließlich, besiegt, zuwendet, die Wangen erhitzt, die Pupillen geweitet. »Können Sie tanzen, Maske?«
    Â»Ja.«
    Â»Dann lassen Sie uns tanzen.«
    Der Tanz ist eine Polonaise, langsam und getragen. Die Zeit scheint stehenzubleiben. Behandschuhte Fingerspitzen können sanft gedrückt, ein

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