Die Zauberer 01 - Die Zauberer
ist alles?«, fragte Granock ungläubig und war fast enttäuscht. »Sonst nichts?«
»Das genügt«, versicherte der Zauberer und bedachte Granock mit einem Blick, der den jungen Menschen erschaudern ließ.
Die Prüflinge verloren keine Zeit. Aldur war der Erste, der über die schmale Strickleiter den Reitkorb erklomm. Alannah und Caia folgten, ohne dass Aldur ihnen eine helfende Hand gereicht hätte, und zuletzt bestieg Granock den börias, nicht ohne vorher noch einmal die schwarzen Augen und die furchterregenden Reißzähne des Raubtiers misstrauisch zu betrachten. »Hast du Angst?«, fragte ihn Aldur höhnisch, als Granock in den Korb stieg. Es war das erste Wort, das er mit dem Menschen wechselte, seit sie am Morgen derselben Gruppe zugeteilt worden waren.
»Natürlich nicht«, schnaubte Granock verächtlich.
»Solltest du aber«, beschied ihm der Elf, während er nach den Zügeln des Eisbären griff. »Denn Angst ist es mitunter, die dafür sorgt, dass du am Leben bleibst.«
Aldur wartete, bis sich die Elfinnen auf den Sitzbänken, die an den Innenseiten des Korbs angebracht waren, niedergelassen hatten, dann ließ er die Zügel schnalzen, und mit einem ebenso verwegenen wie effektheischenden »Yaaah!« trieb er den Eisbär an.
Gehorsam setzte sich das Tier in Bewegung, langsam und schwerfällig zunächst, doch immer schneller werdend. Der Korb schwankte bei jedem seiner kraftvollen Schritte, die schließlich zu mächtigen Sprüngen wurden, und Granock hatte das Gefühl, die stählernen Muskeln zu spüren, die unter dem Boden des Korbs arbeiteten. Er blickte sich um, aber von der Ordensburg war nichts mehr zu sehen. Nicht etwa deshalb, weil sie sich schon so weit von ihr entfernt hätten oder weil der Schneefall so dicht gewesen wäre - der Zauberer hatte dafür gesorgt.
Die Kälte raubte Granock den Atem. Er hustete, und Dampfschwaden wölkten dabei aus seinem Mund. Dass man ihnen keine Mäntel gegeben, sondern sie in ihren dünnen Tuniken losgeschickt hatte, gehörte fraglos mit zur Prüfung. Man wollte sehen, wie sie mit widrigen äußeren Einflüssen zurechtkamen. Zu Beginn des Ritts fror Granock erbärmlich in der Tunika und dem leichten Umhang, aber dann erinnerte er sich an das, was Meister Farawyn ihn gelehrt hatte.
»Äußerlichkeiten«, hatte er Granock immer wieder eingeschärft, »sind nicht von Belang und vermögen dir nichts anzuhaben. Hitze und Kälte, Hunger und Durst, Erschöpfung und Schmerz - all das empfindest du nur, weil dein Körper dir diese Dinge signalisiert. Ignoriere diese Meldungen, konzentriere dich auf deinen Geist, finde zu dir selbst, dann registrierst du zwar diese äußeren Einflüsse, aber sie beeinflussen dich nicht mehr ...«
Zu Beginn seiner Ausbildung hatte Granock das für Unsinn gehalten, für ein Ding der Unmöglichkeit. Doch mit jedem Tag, den seine Ausbildung länger dauerte, und mit jedem Schritt, den er weiter auf dem Pfad der Magie wandelte, war sein Vertrauen zu Farawyn gewachsen, und schließlich hatte er festgestellt, dass der Zauberer recht hatte: Hitze oder Kälte spielten keine Rolle für den, der gelernt hatte, sich allein auf sein geistiges Selbst zu konzentrieren. Granock tat sich immer noch schwer damit, was nicht zuletzt an seiner Vergangenheit lag. Der Kampf um die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse hatte sein bisheriges Leben bestimmt, der Kampf um Nahrung und eine warme Unterkunft. In dieser Situation jedoch gelang es ihm, alle äußeren Einflüsse wegzudrängen, indem er sich sammelte und zur inneren Ruhe rief, und er glaubte zu spüren, wie die Kälte aus seinen Gliedern wich. »Wie weit noch?«, erkundigte sich Caia bei Aldur, der den Eisbären lenkte, als hätte er nie etwas anderes getan.
»Schwer zu schätzen«, erhielt er zur Antwort. »Drei Meilen, vielleicht auch vier.«
»Bis dahin kann alles Mögliche passieren«, meinte Alannah.
»Meinst du wirklich?«, fragte Granock. »Ehrlich gesagt sehe ich nichts, was uns gefährlich werden könnte.«
»Weil du ein blinder Narr bist«, beschied ihn Aldur abschätzig. »Dies ist der prayf. Wenn es so einfach wäre, zu der Eisnadel zu gelangen, hätten unsere Meister diese Aufgabe ganz sicher nicht zu unserer Prüfung bestimmt.« Der Elf hatte natürlich recht. Granock verzog das Gesicht, presste die Lippen fest zusammen und beschloss, das Reden vorerst den anderen zu überlassen. »Dieser Zauberer, der uns aus der Kammer entlassen hat«, rief Caia über das Heulen des Windes
Weitere Kostenlose Bücher