Die Zauberer 01 - Die Zauberer
anzubieten?«
»Was ich an weltlichem Besitz hatte, hat man mir genommen«, erklärte er hilflos.
Sie lächelte nachsichtig, in ihren blauen Augen jedoch blitzte es. »Komm schon«, sagte sie, »ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du nicht wirklich so naiv bist. Ich frage nicht nach materiellen
Dingen. Ich will etwas von dir wissen. Etwas, das du noch keinem anderen verraten hast und so bald auch keinem verraten wirst.«
»Ihr denkt an etwas Bestimmtes, oder nicht?«, fragte er.
Sie nickte. »Ich will deinen Geheimnamen erfahren.«
Aldur sog scharf die Luft ein. Dass sie sich so offen und unverblümt nach seinem essamuin erkundigte, war für ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Dazu gehörte eine ganz Menge Unverfrorenheit.
Nur männliche Elfen hatten einen essamuin. Es war der geheime Name, der ihnen bei der Geburt gegeben wurde und den außer ihnen selbst nur ihr Vater kannte, bis zur Stunde ihrer Hochzeit. Seinen essamuin preiszugeben, galt als Zeichen äußersten Vertrauens, und im Allgemeinen verrieten Elfen ihn nur ein einziges Mal in ihrem Leben - jener Frau, an deren Seite sie den Rest ihres irdischen Daseins verbringen wollten.
Seine Liebe, der Tradition nach die unverzichtbare Voraussetzung für die Nennung des essamuin, hatte Riwanon zurückgewiesen, seinen geheimen Namen jedoch trachtete sie zu erfahren. Das war in höchster Weise ungebührlich - oder war es nur ein weiterer Test? Eine von den unzähligen Prüfungen, denen die Novizen von Shakara Tag für Tag unterzogen wurden und bei denen sie wieder und wieder ihre Eignung unter Beweis stellen mussten?
»Nun?«, fragte Riwanon, die sich auf den Bauch drehte, die Lippen schmollend geschürzt und das Kinn auf die verschränkten Arme gestützt. Die Rundungen ihres Körpers erhoben sich wie Inseln aus den Wellen, die das seidene Laken schlug. »Willst du ihn mir nicht verraten?«
»I-ich weiß nicht, Meisterin«, erwiderte Aldur unsicher. Zu sehr stand er noch unter dem Eindruck der vorangegangenen Eröffnungen, als dass er eine klare Entscheidung hätte treffen können.
»Du willst mir deinen geheimen Namen nicht nennen? Du lehnst also das Bündnis ab, das ich dir angeboten habe?«
»Nein, Meisterin, natürlich nicht.«
»Ich habe mich dir voll und ganz offenbart, meinen Leib und meine Seele. Und du willst mir nicht einmal einen Namen sagen?«
Noch einen Augenblick zögerte Aldur, dann überwand er sich.
»Ru«, sagte er leise, fast flüsternd. »Er lautet Ru ...«
30. GAERA DAI CUTHUNA
Ein geheimer, verborgener Ort.
Eine verschworene Gemeinschaft.
Ein dunkles Ziel...
»Nun?«
»Ich freue mich, berichten zu können, dass sich alles wie vorgesehen entwickelt. Der Überfall auf die Grenzfestung hat den König in Zugzwang gesetzt. Er kann nicht mehr anders, als zu handeln.«
»Und Fürst Ardghal?«
»Ardghal ist gefährlich. Nach außen mimt er den Speichellecker, aber der König frisst ihm aus der Hand. Es hat einige Mühe gekostet, einen Keil zwischen sie zu treiben, doch schließlich ist es gelungen. Elidor fängt an, ihm zu misstrauen.«
»Das ist gut, denn umso mehr wird der König bereit sein, sein Vertrauen anderen zu schenken.«
»Genau so ist es. An dieser Stelle kommt der Hohe Rat ins Spiel, weise wie ehedem und hilfreich wie zu Sigwyns Tagen. Ich zweifle nicht daran, dass diese Narren eine Expedition entsenden werden. Wir müssen nur noch darauf achten, dass für die Mission die - wie soll ich es ausdrücken? geeignetsten Zauberer ausgewählt werden. Das Verderben wird seinen Lauf nehmen, so wie wir es vorherbestimmt haben, und schon bald werden wir wieder stark sein und so mächtig wie in alter Zeit. Nicht als Helfer der Menschen und Handlanger der Zwerge, sondern als das, was wir gewesen sind und wieder sein werden: die Herrscher von Erdwelt!«
BUCH II
GORWALA DWATHA
(Dunkle Horizonte)
1. DYTH'Y'PRAYF
Drei weitere Wochen waren vergangen. Wochen, in denen die Novizen von Shakara den Umgang mit ihren Fähigkeiten verfeinert und gelernt hatten, sie gezielt und überlegt einzusetzen. Man hatte ihnen beigebracht, die Macht der Elfenkristalle zu beschwören, und sie waren in den Grundzügen der Sterndeutung, der Philosophie, der Geschichte und der Naturkunde unterwiesen worden. Man hatte sie gelehrt, den flasfyn zu benutzen und ihn sowohl zur Heilung als auch zur Zerstörung einzusetzen. Man hatte den bewaffneten Kampf geübt, doch auch jenen, der nur mit Gedanken ausgetragen wurde, und man hatte darüber hinaus
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