Die Zauberer 01 - Die Zauberer
versucht, den Charakter und das Wesen der jungen Anwärter im Sinne des Ordens und nach dessen Prinzipien zu formen und zu fördern.
Der Tag der Prüfung war gekommen - jener Prüfung, nach der die Novizen die Einsamkeit der yngaia an der Seite ihrer Meister verlassen und wieder in die Welt zurückkehren durften. Der safai- luthan, der erste, theoretische Teil ihrer Ausbildung zum Zauberer, war damit abgeschlossen, und was folgte, war sehr viel langwieriger und noch um vieles schwieriger: der garuthan, in dem die Schüler ihre Meister auf deren Missionen begleiteten und dabei lernten, wie die erworbenen Kenntnisse in der Praxis einzusetzen waren.
Für die Dauer des garuthan gab es keinen festgesetzten Zeitraum; er währte so lange, wie der Schüler brauchte, jenen Grad der Reife zu erlangen, der ihn dazu befähigte, ein Eingeweihter zu werden, und es oblag allein seinem Meister, darüber zu entscheiden, wann dies geschah. Es hatte Novizen gegeben, die sich um ihre Ausbildung und den Orden so verdient gemacht hatten, dass sie innerhalb weniger Tage in den Stand eines Eingeweihten erhoben worden waren; andere hingegen waren Jahrzehnte und Jahrhunderte ihren Meistern auf den Pfaden der Magie gefolgt, bis sie für würdig erachtet worden waren, den nächsten Schritt ihrer Ausbildung zu tun.
Mit der Beendigung des garuthan war eine wichtige Voraussetzung für die Ausbildung zum Zauberer geschaffen: Die Anwärter wurden aus der Obhut ihrer Meister entlassen und bekamen einen eigenen Kobold zugeteilt, der ihnen fortan als Diener zur Verfügung stand. Ihren eigenen Zauberstab jedoch erhielten sie erst, wenn sie nach einer weiteren Zeit der Übung und der inneren Reifung den Meistergrad erlangt und den dritten und letzten Teil der Ausbildung hinter sich gebracht hatten, den hethfanuthan. Aber auch für jene, die Meister der Magie geworden waren und entsprechend auch Mitglieder des Hohen Rates werden konnten, war die Zeit des Lernens niemals vorüber, wie Vater Semias nicht müde wurde zu erklären.
Baiwu dwan dysgu war sein Motto.
Zu leben heißt zu lernen ...
Alannah, Aldur und Caia - eine weitere Novizin aus ihrem dys- barth, deren Fähigkeit darin bestand, zu einem Wesen aus reinem Licht zu werden wussten das. Dennoch warteten sie gespannt darauf, dass endlich jenes Ereignis begann, auf das sie sich so sorgfältig vorbereitet und das sie in den zurückliegenden Wochen ebenso gefürchtet wie herbeigesehnt hatten. Der prayf.
Die große Prüfung ...
Und noch jemand hockte gemeinsam mit den drei Elfen in der Kammer, in der die Novizen darauf warteten, abgeholt und zur Prüfung vorgelassen zu werden: Granock, dessen Laune ins Bodenlose gesunken war.
Zwar war es üblich, dass die Schüler nicht einzeln, sondern in kleinen Gruppen die Aufgaben zu bestehen hatten, die sich der Hohe Rat für sie ausgedacht hatte. Dass man ihn jedoch ausgerechnet mit Aldur zusammengesteckt hatte, zeigte in Granocks
Augen nur, wie wenig ihm manche Angehörige des Hohen Rates den erfolgreichen Abschluss der Prüfung gönnten. Aldur, das war sicher, würde alles daransetzen, damit der junge Mensch im entscheidenden Augenblick versagte - und was das für Granock selbst, aber auch für seinen Meister Farawyn bedeutete, hatte Alannah ihm ja deutlich genug auseinander gelegt. Man hatte den Prüflingen untersagt, sich miteinander zu unterhalten, und da niemand durchfallen wollte, nur weil er das Schweigegebot brach, herrschte in der Kammer eisige Stille. Einerseits hatte das den Vorteil, dass sich Granock die vernichtenden Kommentare seines Erzfeindes nicht anhören musste, andererseits konzentrierte sich so sein Denken auf ihn selbst, und wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass er Angst hatte zu versagen. Was im Zuge der Prüfung auf ihn und die anderen zukommen würde, wusste niemand. Wie es hieß, sollten sowohl ihre erlernten Fähigkeiten als auch ihr Charakter getestet werden. Granock hatte keine Ahnung, was das bedeutete, ihn tröstete nur der Gedanke, dass es den drei anderen genauso erging; niemand wusste, was sie draußen vor der Tür der Kammer erwartete. Womöglich etwas, das ihre Vorstellungskraft überforderte, das ihre Fähigkeiten an ihre Grenzen brachte und vielleicht sogar ihr Leben gefährdete. Aus den Chroniken des Ordens wusste Granock, dass Schüler bei den Prüfungen tatsächlich schon den Tod gefunden hatten. Kein Meister würde eingreifen, um das Leben seines Novizen zu retten - so waren die Regeln. Dennoch
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