Die Zauberer 01 - Die Zauberer
ermutigendes Zeichen dafür, dass dieser Tag nicht als jener in die Chroniken Shakaras eingehen würde, an dem der Hohe Rat zerfallen war.
»Schwester und Brüder«, sagte er schließlich, nachdem er das Schweigen eine Weile hatte bestehen lassen, »wir wollen nun zur Abstimmung schreiten. Wer von euch ist dafür, Bruder Palgyrs Antrag auf Aufnahme eines Orks als Ordensnovizen zuzustimmen?«
Die ersten Meldungen erfolgten vom rechten Flügel, und das war wenig überraschend. Labhras und Cysguran, Palgyrs treue Parteigänger, hielten die Zauberstäbe hoch und signalisierten damit Zustimmung. Weitere Elfinnen und Elfen aus ihrem Umfeld gesellten sich hinzu, aber es waren nicht nur Ratsmitglieder der rechten Seite, die dem Antrag entsprachen, auch Codan und einige andere hoben die Zauberstäbe - nicht so sehr, weil sie Palgyrs Vorhaben befürworteten, sondern aus Vertrauen zu Vater Semias, der seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen hatte, um eine Spaltung des Rates zu verhindern.
Es war eine politische Abstimmung. Nur wenige entschieden aufgrund ihres persönlichen Empfindens, die meisten nach den Zwängen, die die Situation ihnen auferlegte: Das Wohl des Ordens überwog alles andere. Auf diese Weise stimmte eine satte Mehrheit dafür, Palgyrs Antrag auf Aufnahme eines Orks in den Orden von Shakara zu entsprechen. Mehr, als es bei dem Menschen Granock und der angeblichen Mörderin Alannah gewesen waren ... »Ich danke euch, Schwestern und Brüder, für euer Vertrauen und euer Wohlwollen!«, rief Palgyr, der sich bemühte, sich seinen Triumph nicht zu sehr anmerken zu lassen. »Und natürlich danke ich auch dir, Vater«, wandte er sich an Semias, »denn ohne deine Vermittlung wäre diese Abstimmung sicherlich anders ausgegangen.«
»Ja«, sagte Semias leise, »das wäre sie ohne jeden Zweifel.« Und er wusste nicht, ob er darüber in Tränen ausbrechen sollte vor hilfloser Wut und Scham. »Damit ist es beschlossen, und es bleibt nur noch eines zu tun: den Novizen zu fragen, ob er gewillt ist, sich den Herausforderungen zu stellen, die in diesen ehrwürdigen Mauern auf ihn warten.«
Aller Augen richteten sich auf den Ork, der bereits während des Disputs den Anschein vermittelt hatte, immer noch kleiner und hagerer zu werden. Nun jedoch sank er regelrecht in sich zusammen, zumal als Palgyr ihm den Umhang von den Schultern riss und ihn der Ratsversammlung so präsentierte, wie der Dämon Kurul ihn der orkischen Überlieferung nach in die Welt gespuckt hatte: Der Ork schien nur aus unbehaarter grüner Haut und Knochen zu bestehen.
»Auf die Knie!«, verlangte Semias. Wie alle Zauberer beherrschte auch er die Dunkelsprache, aber deren Worte kamen ihm nur zögernd über die Lippen. Der Unhold leistete der Aufforderung nicht nur Folge, sondern neigte sein Haupt so weit hinab, dass seine Stirn den Boden berührte.
»Rambok ist dein Name, richtig?«, erkundigte sich der Älteste.
»K-korr«, kam es zurück, während der Ork wieder leicht den Kopf hob, um mit blutunterlaufenen gelben Augen furchtsam zu Semias emporzuschielen. »Ich frage dich also, Rambok«, sagte Semias, die uralte Formel ins Orkische übersetzend, was ihm allein schon wie ein Verrat vorkam, »bist du hier, um Aufnahme zu erbitten in den Orden und die ehrwürdigen Hallen von Shakara? Und willst du ferner dem Orden, dem Reich und der Krone dienen?« Die Formulierung schien angesichts dessen, an den sie gerichtet waren, wie blanker Hohn. Semias fragte sich, wie Cethegar entschieden hätte, hätte er der Sitzung beigewohnt. Aber sein Freund und Vertrauter war nicht anwesend, und so oblag es Semias, die Entscheidung zu treffen, und genau das hatte er getan.
Der Unhold, der grün und nackt auf dem kalten Marmor kauerte und den Kopf noch immer dicht über dem Boden hielt, musste nicht lange überlegen. »Korr«, stimmte er schlicht zu.
So unterwürfig sich Rambok den Elfen auch gegenüber gab, ein Ork ließ sich nicht einfach vor den Karren spannen wie ein gutmütiger Ochse, sondern behielt stets seinen eigenen Willen und verfolgte seine eigenen düsteren Ziele. Auch dann, wenn es nicht den Anschein hatte ...
15. DARGANFAITHAN ERSHAILA
Der Marsch durch den Urwald ging weiter, trotz der grässlichen Verstümmelung, die Meister Cethegar davongetragen hatte. Aufgrund des wirren Dickichts kamen die Gefährten ohnehin nur langsam voran, und indem Aldur und Granock Cethegar stützten, gelang es dem alten Zauberer tatsächlich, mit dem Marschtempo der
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