Die Zauberer 01 - Die Zauberer
nicht minder anmutiger Geist wohnte, dessen Klugheit und Besonnenheit die Zauberin beeindruckt hatten. Sie brannte darauf, Alannah als Schülerin zugeteilt zu bekommen und sie in den Geheimnissen der Magie zu unterweisen ...
»Auch sie darf bleiben«, antwortete Semias zu Riwanons Freude. »Der Orden gewährt ihr Zuflucht und Schutz - aber die Entscheidung darüber war noch knapper als jene über den Menschen. Bitte sag mir, mein Kind, was hat dich geritten, ausgerechnet diese Elfin nach Shakara zu bringen?«
»Alannah ist keine Mörderin. Nach allem, was ich von Lordrichter Mangon erfahren habe, hat dieser Menschenjunge durch seine Dummheit und Dreistigkeit sein unrühmliches Ende selbst verschuldet. Alannah entfesselte in ihrer Bedrängnis unbewusst Kräfte, die bisher unerkannt in ihr schlummerten. Sie wollte dem Menschen nichts antun, und sie der Politik zu opfern, wäre das wirkliche Verbrechen gewesen.«
»Auf welche Weise hast du davon erfahren?«, wollte Semias wissen. Riwanon überlegte. »Ich glaube, Niobe hörte es als Erste - der übliche Tratsch unter Kobolden.«
»Wieso fragst du, alter Freund?«, wandte sich Cethegar an Semias. »Vermutest du etwas?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Semias schüttelte das weiße Haupt. »Ich fürchte nur einfach, dass etwas vor sich geht. Etwas Bedrohliches ...«
»Auch ich empfinde das«, stimmte Farawyn zu.
»Hast du etwas gesehen?«, erkundigte sich Cethegar.
»Nein.« Farawyn schüttelte den Kopf. »Jedenfalls nichts Konkretes.« Im Lauf der Zeit hatte er sich daran gewöhnt, dass ihn Träume und Ahnungen heimsuchten, die mehr waren als Reflexionen seines inneren Selbst. Die Vergangenheit spiegelte sich darin, doch bisweilen gaben sie auch Ausblick auf die Zukunft, allerdings in Form abstrakter Bilder und Eindrücke, die sich häufig nicht in Worte fassen ließen. Farawyn hatte gelernt, mit dieser Gabe zurechtzukommen. Während andere Zerstreuung fanden, indem sie sich an Literatur, Musik und Tanz erfreuten und an den Farben des Lichts, waren Farawyns düstere Ahnungen sein ständiger Begleiter. Eine finstere Wolke schien über ihm zu schweben, und entsprechend bedrückend war seine Ausstrahlung.
»Dennoch hegst du eine Befürchtung«, hakte Semias nach.
»Ja, nahad«, gestand Farawyn zögernd. »Palgyr ...«
»Es ist bekannt, dass Palgyr und du Rivalen seid, schon seit langer Zeit«, fiel ihm der alte Ordensmeister ins Wort. »Aber du solltest Rivalität nicht mit Übelwollen verwechseln. Palgyr mag in vielerlei Hinsicht anders sein als du, abweichende Ansichten vertreten und manche Dinge in einem anderen Licht sehen. Dennoch ist er ein geachtetes Mitglied des Hohen Rates, und er würde niemals etwas tun, das dem Orden oder dem Reich schaden könnte.« »Seid Ihr Euch da ganz sicher, nahad?«
»Wenn du derartige Verdächtigungen gegen einen Mitbruder aussprichst«, entgegnete Cethegar hart, »erfüllt dich entweder tiefe Missgunst, oder du musst handfeste Beweise haben.« Er sah Farawyn mit seinen stechenden Augen an. »Hast du solche Beweise?«
Farawyn senkte das Haupt. »Nein, ehrwürdiger Vater.«
»Lass nicht zu, dass deine Rivalität mit Palgyr dein Urteilsvermögen trübt, Farawyn«, mahnte Semias.
Farawyn nickte. »Wir leben in einer ungewissen Zeit, einer Zeit des Umbruchs. Noch sind wir Elfen die dominierende Rasse Erdwelts. Aber diese Tage sind, davon bin ich überzeugt, gezählt.«
Semias hob mahnend den Zeigefinger. »Obwohl ich letztendlich auf deiner Seite stehe, Farawyn, muss ich dir sagen, dass ich längst nicht so radikal bin wie du, denn ohne unsere Traditionen und Werte sind wir Elfen nichts.« »Wir müssen uns verändern, nahad«, war Farawyn überzeugt. »Wir müssen die neuen Zeiten erkennen und uns ihnen anpassen, auch wenn das heißt, uns von überkommenen Regeln zu verabschieden.«
»Und was dann?«, fragte Cethegar. »Es gibt nicht wenige unter uns, die keine Existenz einem Leben ohne Tradition jederzeit vorziehen würden. Was du überkommen nennst, gibt ihnen Halt und Sicherheit, deshalb darfst du nicht zu sehr daran rütteln.« Er sah Farawyn und Riwanon an. »Ihr beide habt heute zwei Siege davongetragen, damit gebt euch fürs Erste zufrieden - auch wenn der zweite Sieg kein ganzer war.«
»Wieso?«, fragte Riwanon, die sofort begriff, dass diese Einschränkung sie beziehungsweise Alannah betraf. »Was heißt das?«
Semias seufzte schwer. »Die Abstimmung in Alannahs Fall fiel wie gesagt ziemlich knapp aus, und die
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