Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
fertigbringst, mir in die Augen zu blicken und dein Versagen einzugestehen?«
»Er fürchtet sich«, sagte jemand an Baldricks Stelle.
»Wer hat das gesagt?«, blaffte Granock, obschon er es sich denken konnte.
Eine junge Elfin, die zu den Aspiranten gehörte, trat einen Schritt vor. Ihr langes blondes Haar war streng zurückgekämmt und wurde von einer silbernen Spange gehalten, und ihre weise blickenden Augen und ihre edlen Gesichtszüge weckten in Granock Erinnerungen, die er lieber nicht...
»Una«, krächzte er. »Was hast du dich einzumischen?«
»Verzeiht, Meister, aber Baldrick ist erst seit Kurzem hier in Shakara.«
»Und?«
»Das bedeutet, dass er mit den Gebräuchen des Ordens noch nicht vertraut ist«,' erklärte die junge Elfin. Dem Aussehen nach schien sie in Baldricks Alter zu sein, aber Granock wusste, dass dieser Eindruck täuschen konnte. Aus ihren Worten sprach die Nachsicht eines langen Lebens, und auch in dieser Hinsicht erinnerte sie ihn nicht zum ersten Mal an jene Frau, die er ...
»Willst du mich belehren?«, fragte er barsch. »Glaubst du, das wüsste ich nicht?«
»Verzeiht, Meister. Euren Zorn zu erregen lag nicht in meiner Absicht«, versicherte sie.
»Denkt ihr, ich wüsste nicht, was es bedeutet, hier zu stehen und Aufnahme in den Orden zu begehren?«, wandte er sich an alle. »Ich war einst ein Schüler genau wie ihr, und genau wie ihr musste ich lernen, mit dem flasjyn umzugehen und meine Fähigkeit weise zu gebrauchen. Aber euch muss zu jedem Zeitpunkt bewusst sein, dass außerhalb dieser Mauern ein mörderischer Krieg tobt, in dem ihr keinen Augenblick lang überleben werdet, wenn ihr nicht endlich an euch arbeitet und damit aufhört, verzogene Gören zu sein, die am liebsten in den heimatlichen Hain zurückkriechen würden, aus dem sie zu uns geschickt wurden. Bereust du es bereits, nach Shakara gekommen zu sein, Baldrick?«, fragte er den Novizen, der zu einem zitternden Häufchen Elend zusammengesunken war. »Das ist gut. Je eher du zu zweifeln beginnst, desto besser, denn der Orden kann weder Zweifler noch Schwächlinge brauchen. Wenn irgendjemand von euch der Ansicht ist, dass er von mir ungerecht oder zu hart behandelt wird, dann steht es ihm frei zu gehen. Dort ist die Tür!«
Er deutete auf die Pforte, die aus dem Unterrichtsraum führte, der kreisrund war wie eine Arena und über dem sich eine Decke aus halb durchsichtigem Eis wölbte. Darüber war schemenhaft der dämmernde Himmel der Yngaia zu erkennen.
Der größte Teil der Schüler zog es vor, weiter zu Boden zu starren. Nur einer von ihnen schaute auf und hielt Granocks bohrendem Blick stand.
»Nein«, erklärte er leise.
»Wie war das?«, hakte Granock nach.
»Nein«, wiederholte der Aspirant. »Weder zweifle ich, noch werde ich den Orden freiwillig verlassen. Es ist meine Bestimmung, hier zu sein, mein ureigenes Schicksal.«
Der Name des Aspiranten war Nimon, ein junger Elf, den die Schüler zum Sprecher ihrer Gruppe gewählt hatten. Nimon war von allen am längsten in Shakara, und er machte kein Hehl daraus, dass er im Grunde seines Herzens nichts davon hielt, Menschen in die Ordensburg aufzunehmen.
Damit stand er keineswegs allein.
Auch unter den Zaubermeistern gab es noch immer viele, die Menschen im Orden ablehnten, und die Tatsache, dass es außer Granock noch kein Sterblicher geschafft hatte, den Meistergrad zu erlangen, sprach in dieser Hinsicht Bände. Lange Zeit hatte Granock versucht, diese Haltung zu verstehen, zumal nach dem schändlichen Verrat, den die Menschen am Elfenkönig verübt hatten. Er hatte versucht, mit Großmut darüber hinwegzusehen, wenn ihm jemand mit jener Mischung aus Arroganz und Feindseligkeit begegnete, die Elfen so meisterlich an den Tag zu legen verstanden. Inzwischen konnte er das nicht mehr ...
»Dein ureigenes Schicksal?«, hakte er nach. »Du glaubst, nur weil Elfenblut in deinen Adern fließt, hättest du dir bereits das Recht erworben, hier zu sein und in die Reihen der Weisen aufgenommen zu werden? Ist es das, was du mir damit sagen willst, Nimon, des Nydians Sohn?«
»Nein, Meister.« Der junge Elf schüttelte den Kopf. »Ich meinte nur, dass auch Ihr mich nicht davon abhalten werdet, jenes Schicksal zu erfüllen, das mir von der Vorsehung geschenkt wurde, zusammen mit meiner Gabe.«
»Deine Gabe.« Granock schnaubte verächtlich. »Glaubst du, du wärst deshalb etwas Besonderes? Hältst du es für so bedeutend, mit den Tieren sprechen zu können? Sieh
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