Die Zauberer 03 - Das dunkle Feuer
ihre Empfindung auf eine konkrete Gefahr? Oder war sie nur eine Reflexion dessen, was sie gesehen und erlebt hatte, eine Folge der Trauer und der Verzweiflung, die sich seit König Elidors Tod über alle Elfen gesenkt hatte?
Wachsam stand die Zauberin in der Kristallkammer von Tirgas Lan, den flasfyn mit beiden Händen umklammernd. Die grauen Strähnen, die ihr schwarzes Haar durchzogen, hatten sich seit Beginn des Angriffs auf Tirgas Lan stetig vermehrt, und der Blick ihrer waldgrünen Augen hatte seine Jugendlichkeit verloren. Beides waren untrügliche Anzeichen dafür, dass ihr lu, ihre Lebensenergie, nachgelassen hatte. Es wich aus ihr wie Wasser aus einem leckgeschlagenen Gefäß, eine Folge der zahllosen Schrecken, denen die Meisterin ausgesetzt gewesen war und vor denen keine Meditation zu schützen vermochte.
Taranas Augen verengten sich zu Schlitzen, während sie prüfend auf die achteckige, steinerne Fläche blickte, die die Mitte der Kammer einnahm und über der ein leuchtender Elfenkristall schwebte. Von Beginn des Konflikts an war es Farawyns Sorge gewesen, Margok, der immerhin der Entdecker der Schlundverbindungen gewesen war, könnte sich die Kristallpforte zunutze machen, um sich Zugang zum Palast zu verschaffen - aus diesem Grund hatte der Älteste sie mit einer Vielzahl von Bannsprüchen versiegelt und ließ sie bei Tag und Nacht von Ordensmitgliedern bewachen.
Doch so lange sie die Plattform auch beobachtete, alles blieb unverändert. Weder änderte der Kristall seine Farbe oder die Kraft seines Leuchtens, noch bildeten sich in der Luft jene charakteristischen Wirbel, die das Öffnen der Schlundverbindung ankündigten. Der Eindruck unmittelbarer Gefahr jedoch blieb bestehen.
Ganz deutlich konnte die Zauberin das Böse fühlen, nicht nur mehr außerhalb der Palastmauern, sondern in unmittelbarer Nähe.
Gerade so, als ob etwas - oder auch jemand - dabei wäre, sich Zugang zum Palast zu verschaffen und die Barrieren zu durchbrechen, die die Weisen so sorgsam errichtet hatten. Aber wie war das möglich?
Welchen anderen Zugang als diesen konnten die Schergen des Bösen nach Tirgas Lan gefunden haben?
Fieberhaft dachte Meisterin Tarana darüber nach - und plötzlich wurde ihr klar, dass sie alle einem folgenschweren Irrtum erlegen waren.
Ein dumpfes Rauschen lag plötzlich in der Luft, das den Thronsaal von Tirgas Lan erfüllte und den Boden erzittern ließ. Auch der Kartentisch, auf dem das Modell der Stadt errichtet war, begann zu beben, und die verschiedenfarbigen Kiesel, die die feindlichen Heere darstellten, entwickelten ein Eigenleben und begannen über den Tisch zu wandern.
Die vier Elfenwächter, die den Thronsaal bewachten, tauschten betroffene Blicke.
Was ging hier vor sich?
Das Beben verstärkte sich, ebenso wie das unheimliche Geräusch. Kieselsteine fielen vom Tisch, und die Mauern und Türme des Stadtmodells kippten um. Ein Omen der Katastrophe, die über Tirgas Lan hereinbrechen würde?
Die Soldaten standen unentschlossen, wussten nicht, wie sie reagieren sollten - als aus der kreisrunden Öffnung, die in der Mitte des Thronsaals klaffte und den Blick auf die darunterliegende königliche Schatzkammer öffnete, plötzlich ein durchdringender Schrei ertönte.
Nun kam Bewegung in die Soldaten. Die hölzernen Schäfte ihrer Glaiven beidhändig umklammernd, rannten sie auf die Öffnung zu und starrten hinab. Was sie sahen, erfüllte sie mit tiefstem Entsetzen.
Denn inmitten der unermesslichen Reichtümer des Königsschatzes, so als hätten Silber und Gold und funkelnde Gemmen sich auf rätselhafte Weise verflüssigt, hatte sich ein Strudel gebildet, ein Wirbel, der sich immer schneller drehte.
»Was ist das?«, brüllte einer der Wächter gegen das Rauschen, das sich verstärkte, je schneller der Wirbel rotierte. Eine Antwort bekam er nicht. Keiner der Soldaten wusste, was dies zu bedeuten hatte, und die Panik, die sich ihrer bemächtigte, verhinderte jeden klaren Gedanken.
Das Rauschen wuchs sich zu einem Dröhnen aus, das schwer in der Luft lag und auf das empfindliche Gehör der Elfen schlug. Schon ließ der Erste von ihnen die Waffe fallen, um beide Hände auf die Ohren zu pressen - den Schmerz, den das Geräusch auslöste, vermochte er damit jedoch nicht fernzuhalten.
Auch die übrigen Wächter bekamen ihn zu spüren. Einer nach dem anderen sank nieder und begann laut zu schreien, doch das dröhnende Geräusch verschluckte ihre Stimmen. Und in diesem Moment begannen
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