Die zauberhafte Tierhandlung, Band 03: Lotte und das Einhorn (German Edition)

Läuten, das ihr den Magen umdrehte. Lotte wünschte sich verzweifelt, nach Hause rennen zu können, aber sie konnte Ruby nicht an diesem Ort allein lassen. Sie schlich ihr nach und hustete ein wenig, als die Tür sich hinter ihr schloss. Sogar die parfümierte Luft des Ladens schien vergiftet.
    Es war ein unheimlicher Ort. Lotte hatte sich daran gewöhnt, wie alle Tiere verstummten und den Atem anzuhalten schienen, wenn jemand die Tierhandlung betrat, während sie entschieden, ob sie weiterreden konnten oder nicht. Aber sie hatte nicht erwartet, dass es hier genauso sein würde. Eine Auswahl grässlich aussehender Marionetten, die an der einen Wand hingen, hatte offensichtlich erst mit dem Klingeln der Türglocke aufgehört, sich zu bewegen. Lotte fragte sich, ob Ruby wohl auffiel, dass ihre Arme und Beine nicht leblos herunterhingen, wie es eigentlich der Fall hätte sein müssen. Ihre aufgemalten Augen huschten von links nach rechts, während die Mädchen durch den Laden gingen, und aus ihren rot gemalten Mündern kam ein gemein klingendes Wispern.
    Die da. Sie weiß Bescheid. Die andere ist eine Ahnungslose. Bewegt euch nicht!
    Waren alle Sachen im Laden verzaubert? Sie konnte es nicht genau sagen. Selbst die hübschen Porzellanfiguren, die der früheren Ladenbesitzerin gehört hatten, sahen jetzt anders aus. Ihre niedlichen Gesichter schienen übertrieben hübsch, und ihre Augen blickten wissend.
    Zwischen den Geschenkartikeln waren noch seltsamere Dinge versteckt: merkwürdige Musikinstrumente, aus Holz geschnitzte Pfeifen und Flötensets. Lotte fragte sich, wie sie klingen würden, wenn sie hineinblies, und schauderte.
    Pandora saß hinter dem Tresen und las in einem kleinen Buch mit schwarzem Umschlag. Es weckte ein mulmiges Gefühl in Lotte, als stecke es womöglich voller dunkler Geheimnisse.
    »Lotte!«, säuselte Pandora. »Und du hast eine Freundin mitgebracht. Wie schön.«
    Ruby drehte sich überrascht zu ihr um »Du kennst sie?«, flüsterte sie.
    Lotte öffnete den Mund, aber Pandora war schneller. »Man könnte sagen, ich bin eine alte Freundin der Familie«, erdreistete sie sich zu sagen.
    Lotte funkelte sie voller Abneigung an, aber Pandora lächelte offenbar belustigt zu ihr rüber.
    »Ich bin auf der Suche nach einem Geburtstagsgeschenk für meine Mutter«, erläuterte Ruby.
    Pandora stand auf. »Wie nett. Hast du an etwas Spezielles gedacht?«
    Ruby schüttelte den Kopf. »Nein, nicht wirklich. Es ist nicht leicht, sie zu beschenken. Sie mag ausgefallene Sachen. Sie ist Künstlerin.«
    »Oh, du bist definitiv in den richtigen Laden gekommen, Ruby.« Pandora klatschte in die Hände. »Wir haben viele ausgefallene Dinge.«
    Ruby blinzelte und starrte Pandora entgeistert an. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Nun, du bist eine Freundin von Lotte. Ich weiß schrecklich viel über Lotte, siehst du. Und Freunde sind so ungeheuer, ungeheuer wichtig, meinst du nicht auch?«
    »Schätze schon … « Rubys Stimme verlor sich, aber Pandora sah nicht Ruby an. Sie betrachtete Lotte, mit Augen so hart wie Stein.
    Lotte erwiderte den Blick funkelnd. Sie war außer sich. Wie konnte die Hexe es wagen, ihre Freunde zu bedrohen? Lotte schaute kurz zu Ruby, die ein paar Steineier in einer Schüssel bewunderte, und ihr Herz machte vor Angst einen Satz. Nicht aus Angst um sich, sondern aus Angst um Ruby. Und vor Schuldgefühlen. Brachte sie Ruby in Gefahr, weil sie mit ihr befreundet war? Was, wenn Pandora versuchte, Ruby etwas anzutun, nur um Lotte zu verletzen? Es schien so unfair, dass Ruby in diese Geschichte mit hineingezogen werden sollte, wo sie doch nichts damit zu tun hatte.
    Dann kam Lotte ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn Pandora Ruby bereits etwas angetan hatte? Lotte hatte den ganzen Tag gedacht, dass Ruby sich komisch benahm und nicht sie selbst war. Gestern waren sie noch beste Freundinnen gewesen, und heute benahm sie sich, als kenne sie Lotte kaum. Ruby war nicht der Mensch, der Dinge in sich hineinfraß. Falls Lotte etwas getan hatte, über das sie sich aufgeregt hatte, hätte sie es ihr gesagt. Also, warum war sie plötzlich so anders?
    Es war, als hätte sie jemand mit einem Bann belegt … Die Puppe! Ruby hatte die Puppe berührt! Konnte die sie tatsächlich verzaubert haben? Bei dieser einen, kurzen Berührung? Es schien unwahrscheinlich, aber Lotte war sich sicher, dass die Puppe etwas mit der Sache zu tun hatte.
    Das ließ sich Pandoras Andeutungen entnehmen. Sie hatte Ruby verzaubert