Die zauberhafte Tierhandlung Bd. 4 - Lotte und das Kaninchen-Wunder
Jack standen sich so nahe, und dann gab es noch die Tiere. Er konnte so gut mit ihnen umgehen, mit jeder Kreatur, egal welcher Art. Du bist genauso.« Sie lächelte traurig. »Ich konnte einfach nicht so weitermachen, nachdem er fortgegangen war. Alle haben ihn vermisst, nicht nur ich. Du hast immer wieder gefragt, wo er sei und wann er nach Hause käme. Jeden Tag musste ich Jack gegenübertreten, der ihm so ähnlich war. Manchmal kam ich in einen Raum und sah Jack und dachte, es sei Tom, und ich war so froh, so dankbar, dass er zurück war. Und dann traf mich jedes Mal die Erkenntnis, dass er es nicht war. Es war, als würde er von Mal zu Mal ein bisschen mehr sterben.« Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Kaffee, ihr Blick schweifte die Straße hinunter zu der Ecke, um die Lottes Vater verschwunden war. »Entschuldige bitte, ich muss dir gerade einen fürchterlichen Schrecken eingejagt haben. Aber es war, als würde ich ihn aufs Neue verlieren.«
»Ich dachte, du würdest in Ohnmacht fallen«, gab Lotte zu.
Ihre Mutter lächelte. »Das habe ich auch gedacht.«
»Er fehlt dir immer noch, oder?«, fragte Lotte vorsichtig. »Es ist viel Zeit vergangen.«
Isobel seufzte. »Nun, daran hat sich nichts geändert, seit er verschwunden ist. Damit will ich sagen, es ist wie eine Schnittwunde, die sich geschlossen hat, aber immer noch schmerzt. Ich glaube nicht, dass ich je aufhören werde, ihn zu vermissen.« Sie lächelte Lotte an. »Das hier ist unser Ort für ernste Gespräche, hm? Als wir das letzte Mal hier waren, wolltest du alles über deinen Vater erfahren und wieso ich nie von ihm sprach. Weißt du, Lotte, ich kann furchtbar wütend auf ihn sein, weil er auf diese dämliche Reise gegangen ist, und ihn zugleich über alles lieben.« Sie seufzte. »Es ist im Grunde sehr schön, über ihn zu reden. Ich hätte dir schon eher mehr von ihm erzählen sollen.«
»Bist du … bist du dir sicher, dass er tot ist?«, fragte Lotte plötzlich. Es war ein Versuchsballon.
»Oh, Lotte«, erwiderte ihre Mutter seufzend. »Hast du die ganze Zeit weiter gehofft? Es tut mir leid, Liebling, doch er muss es sein. Es ist so viel Zeit vergangen. Das erste Jahr oder so habe ich mich das auch gefragt, und es machte mich noch wütender, nicht zu wissen, was mit ihm passiert war. Er hätte uns nicht verlassen, Lotte. Ich weiß, ich habe gesagt, er sei kein besonders vernünftiger Mensch gewesen, aber das hätte er nicht getan.« Sie strich Lotte über die Haare. »Er hat dich so sehr geliebt, Lotte. Er hätte dich niemals im Stich gelassen.«
Aber das hat er, wollte Lotte schreien. Sie hatte darüber nachgegrübelt, seit sie erkannt hatte, wer das Einhorn in Wirklichkeit war, das sie vor Pandora gerettet hatte. Warum war er so lange fortgeblieben? Wie hatte er ihrer Mutter eine Trauer aufbürden können, die wie eine Wunde war, die nie richtig verheilte? Und wie hatte er zulassen können, dass sein kleines Mädchen ohne Vater aufwuchs?
Kapitel 8
Am Sonntag war Lotte überzeugt, ihren Vater just in dem Moment erneut zu sehen, als ihre Mutter ihre Sachen zusammensuchte, damit sie zum Bahnhof fahren konnten. Ein großer, dunkelhaariger Mann spähte in das Schaufenster, bloß eine Sekunde lang, und ging dann weiter. Lotte erstarrte, während sie ihm wie hypnotisiert hinterhersah, aber niemandem sonst war etwas aufgefallen. Er schien immer näher zu kommen, dachte Lotte, und ihre Fingernägel gruben Halbmonde in die Handflächen. Es war ein komisches Gefühl, sich etwas so sehr zu wünschen und im selben Moment eine höllische Angst davor zu haben. Worauf wartete er? Würde er auftauchen, ehe ihre Mutter abgereist war, oder nicht? Lotte war sich noch nicht einmal sicher, was davon sie sich erhoffen sollte.
Onkel Jack hatte vor, Lotte und ihre Mutter am Bahnhof abzusetzen, wo sie sich in Ruhe voneinander verabschieden konnten, und dann würde Lotte zurück nach Hause laufen. Es war nicht allzu weit, und Sofie würde ihr Gesellschaft leisten. Ihre Mutter hatte Zweifel geäußert, aber Lotte hatte ihr zugesichert, dass Sofie ein sehr guter Bodyguard war, und Sofie hatte mit einem wölfischen Grinsen sämtliche Zähne gezeigt. Lotte war sicher, dass ihrer Mutter nicht klar war, wie viel sie allein in Netherbridge unterwegs war. Sie wäre entsetzt gewesen, wenn sie über alles Bescheid gewusst hätte, was Lotte in den letzten Monaten erlebt hatte.
Sie betraten gemeinsam die Bahnhofshalle, und ihre Mum seufzte. »Oh, sieh doch, der Zug hat
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