Die Zauberlehrlinge
vor ihr. Irgendein Rettungsinstinkt, eine sinnlose Hoffnung, trieb Harry zu ihr hin. Doch mit einem weiteren dumpfen Knall breitete sich das Feuer aus, und Athene, der Schreibtisch und die Notizbücher waren Teil einer einzigen Flamme, die zur Decke loderte.
Harry wich zurück; sein fehlgeschlagener Versuch ängstigte und verwirrte ihn. Er wandte sich zur Tür und blieb dabei mit dem Fuß an der eingerollten Ecke des Teppichs hän gen. Er stolperte und fiel, seine Schläfe traf auf die Kante eines der umgestürzten Bücherregale. Einen Moment lang war er desorientiert, dann wusste er wieder, wo er war.
Doch das reichte nicht. Es schien keine Luft zum Atmen mehr zu geben, nur Hitze und Rauch und erstickende Schwäche. Die Tür verschwamm und schien sich wie um eine Achse zu drehen. Doch wer sich drehte, war er, er rollte langsam auf die Seite, eine Hülle aus Dunkelheit und Hilflosigkeit schloss sich um seinen Kopf, sein Bewegungswille erlahmte, als seine Lungen und Muskeln ihn im Stich ließen. Die Tür verschwand. Dann die Fußleiste, auf der er lag. Dann der Teppich unter seinem Gesicht. Die Erkenntnis des Augenblicks als das, was er war - das Ende des Bewusstseins, die Schwelle des Todes -, war ein zerbrechlicher, flüchtiger Gedanke. Und sein letzter.
64. Kapitel
»Leben Sie wohl, Harry.«
»Ich bringe diese Bücher zur Polizei«, sagte er und hielt triumphierend das Bündel hoch, als seine Befürchtungen schwanden. »Ich werde dafür sorgen, dass man nach Spuren Ihrer Anwesenheit in Davids Zimmer im Skyway sucht. Ein Fingerabdruck, ein Haar, eine Faser - irgendetwas wird es
geben.«
»Vermutlich haben Sie recht.«
»Und dann wird man Sie holen.«
»Zweifellos.«
»Und Sie werden sich für das verantworten müssen, was
Sie ihm angetan haben.«
»Da bin ich sicher.«
»Verstehen Sie?«
»Vollkommen.«
Sie sah ihn mit einem seltsamen, mitfühlenden und seelenvollen Blick an, der ihn tiefer berührte, als er zugeben wollte. Sie schien ihn sogar noch zum Gehen zu drängen, als sie ihn zurückrief. Noch immer rührte sie sich nicht.
»Leben Sie wohl, Harry.«
»Gehen Sie zum Teufel.« Er riss sich von ihrem Blick los und stürmte durch die Tür.
Zurück im Arbeitszimmer, dem Raum, den er gerade verlassen hatte. Mit dem gleichen Inhalt und den gleichen Maßen, der gleichen Bewohnerin, die ihn hinter dem Schreibtisch hervor wohlwollend anlächelte. »Geben Sie mir die Notizbücher, Harry«, sagte sie, und hinter ihm und ringsum hallte ihre Stimme wider. In diesem Augenblick erkannte er den Unterschied in ihrem Gesicht und im Zimmer. Die Anordnung ihrer Züge und die Stellung der Möbel waren verkehrt wie in einem Spiegel. »Geben Sie sie auf.« Er wirbelte herum und sah sie wieder, wie sie im ursprünglichen Arbeitszimmer auf ihn wartete. »Das müssen Sie.« Ihre Stimme hallte in seinem Kopf, und plötzlich zog der Raum sich zu einer unendlichen Folge seiner eigenen Abbildungen zusammen wie die Spiegelungen, die er in Slades Haus gesehen hatte. »Sie haben keine Wahl!« Er schaute auf seine Hand, wo die Notizbücher hätten sein sollen, und sah, dass sie leer war. »Überhaupt keine!« Angst erfüllte ihn, und er versuchte zu schreien, brachte aber keinen Laut heraus. Seine Kehle war trocken und stumm. »Sie können sie nicht behalten.« Er riss weit den Mund auf, bemühte sich, einen Schrei auszustoßen, kämpfte und -wand sich. Und dann...
»Hallo, Harry.« Donna lächelte ihn beruhigend an. »Ich bin schon vor einer Weile gekommen, aber du hast noch geschlafen, und ich wollte dich nicht wecken. Du hast ausgesehen, als würdest du irgendetwas träumen.« Besorgnis vertrieb das Lächeln. »Hast du von dem Feuer geträumt?«
»Dem Feuer?« Er rang mit Bruchstücken seiner Erinnerung. »Ja, ich glaube schon.« Das Feuer im Avocet House, sein vergeblicher Versuch, die Notizbücher zu retten, die Verzweiflung bei seinem Misserfolg: die Bestandteile dessen, was geschehen war, reihten sich vor seinem geistigen Auge aneinander wie der rückwärts ablaufende Film einer Zerstörung. Und dann erinnerte er sich, dass er wieder zu sich gekommen war, als ein Sanitäter ihm im Krankenwagen eine Sauerstoffmaske vor das Gesicht hielt. Dass man ihn in das Bett gebracht hatte, in dem er jetzt lag, und ihm gesagt hatte, welches Glück er gehabt habe. Dass er wieder gesund werden würde, schlafen solle, wenn er könne. »Wie...« Seine Kehle war schmerzhaft wund. Er merkte, dass seine Stimme nur ein heiseres Krächzen
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