Die Zauberlehrlinge
sein Abteilungsleiter im Stadtrat von Swindon gewesen, und in dieser Zeit hatte Harry Iris nicht mehr als ein- oder zweimal gesehen, flüchtig und gewöhnlich dann, wenn alle nach irgendeinem geselligen Anlass schon zu viel getrunken hatten. Aber vielleicht hatte sein bewundernder Blick ihr trotzdem das signalisiert, was sie suchte. Vielleicht hatte sie und nicht Claude die Idee gehabt, Harry eine freie Woche vorzuschlagen, in der er in einer Schönwetterperiode im Juli 1960 ihr Haus streichen sollte. Claude hatte damals seit zwei Monaten einen neuen und besseren Job beim Manchester City Council, und seine Beziehungen zu Swindon beschränkten sich auf ein Haus, das sich als schwer verkäuflich erwies, und eine Ehefrau, die ihm erst nach Norden folgen konnte, wenn das Haus verkauft war. Wahrscheinlich hatten sie gedacht, ein neuer Anstrich verbessere die Verkaufschancen. Und Harry kam sicher billiger als irgendein Fachmann, das hätte Claudes knauseriger Natur entsprochen. Was der Natur seiner Frau entsprach, sowohl an Häufigkeit als auch an Vielfalt, hatte Harry mit lustvollem Erstaunen entdeckt. Mit der weiteren Erforschung dieses Themas befasste er sich noch mehrfach, als der Anstrich des Hauses längst fertig war. Der Sommer schritt voran, der Verkauf kam und kam nicht zustande, und der arme alte Claude schlief noch immer sechs von sieben Nächten allein in seinem preiswerten Quartier in Manchester. Während Harry und die schöne Iris...
Doch jedes Idyll nimmt einmal ein Ende, im besten Fall, wie hier, bevor es schal wird. Im September trat ein Käufer auf den Plan, und Ende des Monats war Iris zu ihrem Mann nach Manchester gezogen. In mancher Hinsicht war das eine Erleichterung, wahrscheinlich für beide. Es schloss ein Kapitel in ihrem Leben ab, das wegen seiner Kürze umso befriedigender gewesen war. Die Trennung war endgültig und in zweierlei Hinsicht gut: Lust ohne Bindung, Erinnerung ohne Andenken.
Gelegentlich, wenn er sich selbst leid tat oder gerade von irgendeinem der vielen Mädchen, die auf seine Anmache nicht reagierten, abgewiesen worden war, dachte Harry an die spektakulär einfache Eroberung von Iris Venning zurück. Dann kamen ihm gewisse Bilder und Empfindungen in den Sinn: ihr gerötetes Gesicht mit geschlossenen Augen und offenem Mund, das er im Spiegel über dem Kamin sah, als sie auf dem Sofa eine akrobatische Vereinigung feierten; das Rascheln von Nylon auf Fleisch, wenn er ihr die schwarzen Strümpfe von den weichen, weißen Schenkeln zog; die kühle Haut und die Üppigkeit ihrer Brüste und Gesäßbacken; der unangestrengte Drang, der sie zusammentrieb, und vor allem ihr heftiges Verlangen, in seiner Phantasie gesteigert, bis sein eigenes ganz nebensächlich erschien - ihr Verlangen und sein Genuss.
Als die Jahre vergingen und Harry andere Erfahrungen machte, verblassten diese Erinnerungen in seinem Gedächtnis und wurden nur selten, wenn überhaupt, wieder hervorgeholt. Ein verschwommenes Bild ihres Körpers, ein verwischter Eindruck von ihrem Gesicht, ihr leise geflüsterter Name. Sonst nichts. Und am Ende gab es nicht einmal mehr das. Warum auch? Wahrscheinlichkeit und gesunder Menschenverstand sprachen dafür, dass sie sich nie wieder begegnen würden.
Bis zum Ende seiner Schicht und der Ablösung durch Crowther hatte Harry vorgehabt, durch die Scrubs Lane nach Kensal Green zurückzukehren und pünktlich anzukommen, wenn Terry die verriegelte Tür des Stonemason's öffnete. Vermutlich war es auch genau das, was er vernünftigerweise tun sollte. Aber die Neugier und die heimliche Erinnerung ließen ihn nicht mehr los. Also wandte er sich schließlich stattdessen nach Süden zur U-Bahn-Station White City. Dort nahm er die Central Line nach Holborn und ging zur Stoßzeit durch Bloomsbury hindurch zu dem Krankenhauskomplex um Great Ormond Street und Queen Square. Das National Neurological war ein pompöses Bauwerk im edwardianischen Stil: Marmorsäulen, hohe Decken, lange, hallende Gänge. Ein großer, moderner Anbau klebte daran wie ein neues Haus an einer alternden Schnecke; hier dominierten helles Licht und klinische Nüchternheit.
Harrys Weg führte in diesen neuen Teil des Krankenhauses, geleitet von Hinweistafeln und Pfeilen, nicht von Krankenschwestern oder Empfangsdamen, die er nicht gern um Auskunft bitten wollte. Die Gründe für seinen Besuch waren schließlich nicht sonderlich vertrauenerweckend, nicht einmal für Harry selbst.
Aber den Schildern war leicht zu folgen,
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