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Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Goddard
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Suche nach einem sauberen Kaffeebecher. Ehe er damit fertig war, läutete das Telefon.
    »Hallo?« sagte eine krächzende Imitation seiner eigenen Stimme.
    »Harry?«
    »Ja, wer...« Es war Iris. Ungläubig verstummte er. Das war einfach nicht möglich. Aber sie war es.
    »Störe ich?«
    »Äh...« Er beugte sich vor und stellte das Gas ab. »Nein. Du störst nicht, wirklich nicht.«
    »Es ist so... na ja... tut mir leid, was ich gestern gesagt habe. Wie ich reagiert habe. Es war...«
    »Verständlich.« Mit der freien Hand massierte er sich kräftig die Stirn. Es half allerdings nichts. »Ehrlich.«
    »Es war der Schock. Nach all den Jahren! Der Schock und...«
    »Du brauchst nichts zu erklären.«
    »Doch, ich glaube schon. Ich denke, das schulde ich dir, da du ja nun von David weißt. Könnten wir uns vielleicht treffen?«
    »Ja, natürlich. Warum nicht? Ich meine...«
    »Du meinst, dass du gestern genau das wolltest und dass ich es verhindert habe. Du hast ganz recht. Ich kann mich nur entschuldigen. Du fragst dich vermutlich, was diesen Sinneswandel bewirkt hat.«
    »Ich nehme an, wir hatten beide Gelegenheit, darüber zu schlafen.« Ob man die Bewusstlosigkeit, von der Harry sich noch immer zu erholen versuchte, als Schlaf bezeichnen konnte, wusste er allerdings nicht.
    »Sicher. Wie auch immer, ich schlage vor, wir treffen uns woanders als im Krankenhaus. Manchmal trinke ich im Hotel Russell Tee, nachdem ich David besucht habe. Kennst du das?«
    »Ja.« Natürlich kannte er es. Es war der Backsteinbau, an dem er bei seinen Runden um den Russell Square gestern Nachmittag vorbeigekommen war. Das erinnerte ihn daran, dass er es wie vorhergesehen versäumt hatte, seinen Vorrat an griechischen Zigaretten zu erneuern.
    »Ich treffe dich um vier in der Halle.«
    »Gut.« Das bedeutete, dass er Mitre Bridge früher würde verlassen müssen. Vielleicht würde er auch einfach krank werden. Er fühlte sich so elend, dass es beinahe stimmte. Wenn seine Verfassung sich auch seltsamerweise gebessert zu haben schien, seit er den Hörer abgenommen hatte. »Ich werde dort sein.«
    »Gut. Also...«
    »Eins noch, Iris.« Sein Verstand wurde jetzt klarer, auch ohne die Hilfe von Kaffee. In ihm wuchs der Argwohn, dass ihr versöhnlicher Ton womöglich so etwas wie ein Geständnis war. »Wenn du diese Nummer die ganze Zeit hattest, warum hast du dann am Montag in der Tankstelle angerufen?«
    »Das war ich nicht, Harry. Ich habe heute Morgen deine Mutter in Swindon angerufen. Sie hat mir diese Nummer gegeben. Oh, mach dir keine Sorgen, ich habe ihr nicht gesagt, wer ich bin. Aber die Nachricht, die du bekommen hast, war nicht von mir. Später wurde mir klar, wie dumm sich mein Gerede über das, worauf du aus wärst, angehört haben muss. Selbst wenn du über David gelesen hättest, hättest du ihn nicht mit mir in Verbindung gebracht, oder? Oder mit dir selber.«
    »Wer hat mich denn dann angerufen?«
    »Das weiß ich nicht. Niemand außer David und mir wissen davon, Harry. Das ist der Punkt.«
    »Wissen, dass ich sein Vater bin, meinst du?«
    Ein längeres Schweigen folgte, und Harry musste sich Mühe geben, es nicht zu brechen. Dann sagte Iris: »Genau.«

5. Kapitel
    Sein Hals rieb sich an der ungewohnten Enge eines durch eine Krawatte gezierten Kragens wund, seine Augen registrierten kaum die holzgetäfelte Eleganz der Umgebung. Harry nahm die Tasse mit Assamtee, den Iris ihm eingeschenkt hatte, und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Er fühlte sich so, wie er auszusehen fürchtete: fehl am Platz und unbehaglich.
    Iris Venning, oder Hewitt, wie er sich zu denken bemühte, wirkte im Gegensatz zu ihm völlig zu Hause in der leisen, intimen Atmosphäre. Sie trug ein einfaches, aber schmeichelhaftes Kleid, das Mrs. Tandy vermutlich als Nachmittagskleid bezeichnet hätte. Es bestätigte, dass Iris ihre Figur behalten hatte, während der zweireihige Blazer, den Harry anhatte, den Bauch nicht verbergen konnte, den er seit dem Sommer 1960 angesetzt hatte. Seine und zweifellos auch ihre Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Sommer zurück, so sorgfältig sie auch vermieden, direkt davon zu sprechen.
    Indirekt waren die Ereignisse dieses fernen Sommers der einzige Grund, warum sie sich an diesem winterlichen Nachmittag getroffen hatten. Ohne sie wäre David John Venning niemals geboren worden und läge jetzt auch nicht, nur ein paar Straßen entfernt, bewusstlos im Koma. So entwickelte die Zeit ihre eigene Rache, sowohl durch

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