Die Zauberlehrlinge
Mai 61. Ich kann auch rechnen.«
»Du hast falsch gerechnet.«
»Was sagst du da?«
»Ich sage, dass David nicht dein Sohn ist. Ich sage, dass ich nicht angerufen habe. Und ich sage, dass ich gern möchte, dass du jetzt gehst.«
»Was?«
»Mein Sohn ist schwer krank, und ich mache mir größte Sorgen um ihn. Das letzte, was ich brauche - das allerletzte -, ist, dass jemand, den ich kaum kenne, aus der fernen Vergangenheit auftaucht und Anspruch auf eine Beziehung erhebt, die nur in seiner Phantasie existiert.«
»Iris, um Gottes willen...« Sie musste die Verblüffung in seinen Augen erkannt haben, genau, wie er in ihren die Entschlossenheit erkannt hatte. Die Nachricht war nicht von ihr gekommen, doch die entscheidende Tatsache darin stimmte. David war sein Sohn. Aber Iris hatte nicht die Absicht, irgendetwas zuzugeben. Für sie war Harry schlimmer als ein Feind und weniger als ein Fremder. Er war eine Art Rivale. Ein Rivale, den schlagen zu können sie sicher war.
»Wirst du gehen?«
»Nicht einfach wie...«
Sie öffnete die Tür und trat hinaus in den Korridor. »Ich möchte sofort Schwester Rachel sprechen!« rief sie in Richtung Schwesternzimmer. »Es ist dringend.«
»Es ist bestimmt nicht nötig, dass...«
»Du hast recht«, sagte sie und sah ihn direkt an. »Nicht nötig, dass du all das getan hast. Wie bist du auf die Idee gekommen, Harry? Hast du einen der Zeitungsartikel über David gelesen und angenommen, da könnte für dich ein bisschen Geld drinstecken?«
»Geld?«
»Du siehst aus, als wärst du klamm. Ich kann nicht behaupten, dass mich das überrascht. Aber wenn du denkst...«
»Das hat nichts mit Geld zu tun!«
»Ich kann mir nicht vorstellen, was dich sonst aus der Versenkung geholt hätte.«
»Du hast mich angerufen.«
»Nein.«
»Irgendjemand hat es aber getan.«
»Das glaube ich nicht. Tatsächlich...« In diesem Augenblick kam Schwester Rachel in Sicht, ein Muster geschäftiger, gestärkter Tüchtigkeit. »Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Rachel«, sagte Iris. »Ich glaube, Sie haben diesen Mann gestern kennengelernt?«
»Ja.«
»Sein Name ist Harry Barnett.«
»Ein Freund von Ihnen, hat er gesagt.«
»Ganz und gar kein Freund. Und für meinen Sohn keinerlei Hilfe. Ich habe ihn gebeten zu gehen, aber er weigert sich.«
»Ich habe mich nicht geweigert«, warf Harry ein. »Es ist bloß...«
»Ich möchte, dass er geht. Und ich möchte nicht, dass er noch einmal kommt. Ist das klar?«
»Es ist klar, Mrs. Hewitt.« Die Schwester sah Harry mit einem unerbittlichen Blick an. »Wir haben Sicherheitspersonal, Mr. Barnett. Muss ich jemanden rufen?«
»Nein, müssen Sie nicht.«
»Dann bitte hier entlang.«
Harry versuchte einen letzten Appell. »Iris, können wir nicht einfach...« Aber nein. Sie konnten nicht, das war offensichtlich. Mir resigniertem Schulterzucken ging er in einem Tempo, das er für würdevoll hielt, an ihnen vorbei und den Korridor hinunter.
4. Kapitel
Bier war eine Geliebte, die Harrys Aufmerksamkeit niemals verschmähte, eine Freundin, die ihn niemals abwies. Die wurstige Gleichgültigkeit, die er unter dem Einfluss von Bier erreichen konnte, umfing ihn für den Rest des Tages und vergrößerte sich mit jedem Pub, den er auf seinem erratischen Heimweg aufsuchte. Im letzten Lokal, in dem er Zuflucht suchte, konnte sogar der Unwille des Barkeepers, ihn zu bedienen, seiner Kaltblütigkeit nichts mehr anhaben.
»Meinen Sie nicht, dass Sie genug haben, Sportsfreund?«
»Oh, von vielen Sachen. Aber nicht von Bier. Auf dem Grund des Bierkrugs kannst du die Welt so sehen, wie sie nicht ist. Das Wahrste, was ich je gelesen habe.«
»Poesie ist hier nicht am Platz.«
»Nein? Na, wenn ich mir die Dekoration ansehe, verstehe ich, was Sie meinen. Trotzdem, ein Gläschen müsste die Aussicht verschönern.«
»Also gut. Aber nur eins.«
»Natürlich. Nur eins. Gott soll mein Zeuge sein.«
Das war ein Schwur, den gebrochen zu haben er am nächsten Morgen bereute. Er erwachte spät und mit bleiernem Kopf und stellte fest, dass selbst das durch die Vorhänge gefilterte Licht der Foxglove Road schmerzhaft blendete, wenn man vor kurzem ganz allein die zu erwartenden Dividenden mehrerer Bierbrauer an ihre Aktionäre um einiges gesteigert hatte.
Er taumelte in die Miniküche, steckte sich eine Zigarette an und begann zu husten. Dann füllte er den Wasserkessel, setzte ihn auf den Herd, schluckte einen halben Liter Londoner Leitungswasser und begann seine
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